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Antimikrobielle Resistenz: Der nächste mögliche Krisenherd nach Corona und welche Aktien damit geschäftlich verbunden sind

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Die nächste Pandemie könnte von arzneimittelresistenten Infektionen ausgehen. Denn es gibt Schätzungen, laut denen medikamentenresistente übertragbare Krankheiten bis 2050 zu den größten Todesursachen gehören könnten. Ebenfalls laut Prognosen drohte dann bis 2050 ein kumulierter Schaden von 50 Billionen USD, wie Jefferies in einer aktuellen Studie ausführt. In der Publikation zeigt die US-Investmentbank eine Liste mit jenen Unternehmen, die mit diesem Thema geschäftlich zu tun haben.

Noch ist die Coronavirus-Krise zwar noch längst nicht vorbei, die Marktakteure beschäftigen sich aber dennoch oft schon seit geraumer Zeit mit den möglichen Gewinnern bei gelockerten Lockdowns.

Während die Märkte also zusehends dabei sind, über die aktuelle Pandemie hinauszublicken, habe die Analysten von Jefferies in einer aktuellen Studie eine andere drohende Gesundheitskrise untersucht. Gemeint ist damit eine etwaige antimikrobielle Resistenz (AMR), denn diese hat sich laut der US-Investmentbank zu einem bedeutenden globalen Problem der öffentlichen Gesundheit entwickelt, das die moderne Medizin, die menschliche Gesundheit und die Lebensmittelsicherheit bedroht.

Wie es in der Publikation weiter heißt, hat das Auftreten von Krankheitserregern, die gegen Antibiotika resistent sind, das Potenzial, weltweit zu einer führenden Todesursache zu werden. Und damit einhergeht geht bei dieser Konstellation, dass dies das globale BIP-Wachstum ab 2040 um mehr als 3 % jährlich beeinträchtigen könnte.

Medikamentenresistente übertragbare Krankheiten könnten bis 2050 zu den größten Todesursachen gehören


Bakterien und andere Krankheitserreger haben sich schon immer so entwickelt, dass sie Resistenzen gegen neue Medikamente aufbauten, die zu ihrer Bekämpfung eingesetzt werden, führt das Team um Jefferies-Aktien-Stratege Simon Powell aus. Doch die Resistenzen gegen Antibiotika hätten zuletzt zugenommen, ebenso wie deren Einsatz beim Menschen, und das Tempo, mit dem neue Antibiotika entdeckt würden, habe sich deutlich verlangsamt. Todesfälle und Krankheiten, die durch antibiotikaresistente Erreger verursacht werden, dürften voraussichtlich stark ansteigen und könnten zu einer der weltweit häufigsten Todesursachen werden. Die sich abzeichnende Krise der öffentlichen Gesundheit, wenn Antibiotika immer weniger wirksam werden sollten, dürfte weitreichend sein.

Die Auswirkungen von AMR seien weltweit signifikant, sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die klinische Morbidität und Mortalität, da sie dazu führen können, dass 1) einige Infektionen unbehandelbar werden; 2) die Dauer des Krankenhausaufenthalts, Morbidität, Mortalität und Kosten steigen; und 3) alternative antimikrobielle Mittel erforderlich werden, die toxischer, weniger wirksam und teurer seien. Im Gegensatz zu COVID-19 sei AMR eine vorhersehbare und vermeidbare Krise. Die Welt verfüge derzeit über genügend Antibiotika, die noch funktionierten, aber die Resistenz gegen sie nehme zu und die Zeit laufe ab, um Ersatz zu entwickeln.

Die genaue Zahl der Menschen, die aufgrund von AMR sterben würden, sei schwer zu berechnen. Die Zahl von rund 700.000 werde von einer Reihe von Agenturen, einschließlich der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angegeben, und diese Zahl sein wahrscheinlich in einigen der in Abbildung 1 gezeigten Todesfälle durch übertragbare Krankheiten enthalten. Es sei also wahrscheinlich, dass einige der Todesfälle, die als Folge von Durchfall, Neugeborenen, Tuberkulose und Infektionen der unteren Atemwege verzeichnet wurden, Todesfälle aufgrund von AMR gewesen seien.

Eine ressortübergreifende Gruppe der Vereinten Nationen für antimikrobielle Resistenz habe geschätzt, dass diese Zahl der Todesfälle bis 2050 auf mehr als 10 Mio. pro Jahr ansteigen könnte, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Das sei mehr als die Zahl der Menschen, die derzeit jedes Jahr an einer Herzerkrankung sterben. Eine von Chatham House geleitete Untersuchung zur Antibiotikaresistenz schätze eine ähnliche Zahl bis 2050 und füge hinzu, dass etwa ein Viertel der Todesfälle durch arzneimittelresistente Tuberkulosestämme verursacht werden könnte.

Führende Todesursachen, 2000-2050 (Millionen von Personen)


Quelle: Weltgesundheitsorganisation, UN Interagency Coordination Group (IACG) on Antimicrobial Resistance. Anmerkung: Die drei Hauptursachen für Todesfälle bei Neugeborenen weltweit sind Infektionen (36 %), wozu Sepsis/Pneumonie, Tetanus und Durchfall gehören), Frühgeburten (28 %) und Geburtsasphyxie (23 %). C] = Übertragbare Krankheit.

Es droht ein kumulierter Schaden von 50 Billionen USD bis 2050


Es zeichnet sich laut Jefferies somit eventuell eine Gesundheitskrise ab, die von Aktienanlegern möglicherweise nicht vollständig verstanden wird. Während eine Reihe von Studien in jüngster Zeit begonnen habe, das Problem der antimikrobiellen Resistenz (AMR) zu beleuchten, sind die Studien-Autoren jedenfalls der Meinung, dass viele Anleger einer Krise, welche die aktuelle Pandemie relativ harmlos aussehen lassen könnte, nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Mehr als die Hälfte der 13 wichtigsten Klassen von Antibiotika-Medikamenten wiesen inzwischen ein besorgniserregendes Maß an verminderter Wirksamkeit auf, da neue Stämme von Krankheitserregern Resistenzen entwickelten. In einem Business-as-usual-Szenario könnte die Sterblichkeit aufgrund von AMR bis 2050 wie bereits ausgeführt zu einer der häufigsten Todesursachen werden.

Die größte Menge an Antibiotika werde zur Mast von Nutztieren eingesetzt. Das "schmutzige Geheimnis" der Fleischproduktionsindustrie sei der erhebliche Einsatz von Antibiotika-Medikamenten zur Förderung des Protein-/Tierwachstums. Während die Medikamente aus Gründen der Tiergesundheit eingesetzt würden, zeigten die eigenen Recherchen der US-Investmentbank, dass sie dem Tierfutter und Wasser in großen Mengen als Wachstumsförderer zugesetzt werden. Wie es heißt, sei man überrascht gewesen zu sehen, dass der Einsatz von Antibiotika in der Fleischproduktion 2-3x so hoch sei wie der für Menschen.

Globaler Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung vs. Menschen (Tonnen Wirkstoff)


Zudem verweist man darauf, dass es eine begrenzte und schrumpfende Pipeline an neuen Antibiotika-Medikamenten gibt. Antibiotika schienen für viele Pharmaunternehmen keine attraktive Medikamentenklasse mehr zu sein. Die Rentabilität in diesem Bereich sei im Vergleich zu anderen Medikamentenklassen relativ gering, und infolgedessen seien die F&E-Investitionen und die Entdeckungen neuer Medikamente gering, und die Pipeline potenzieller neuer Medikamente sei kurz.

Bis 2050 könnte AMR mehr als 50 Billionen USD kosten und wie oben skizziert zu erhöhten Sterberaten führen. Sollten deswegen mehr als 10 Mio. Menschen pro Jahr sterben (ausgehend von geschätzten 700.000 p.a. derzeit), ergebe sich daraus als mögliche Auswirkungen auf das globale BIP-Wachstum bis 2050 als kumulativer Verlust die genannte Zahl von 50 Billionen USD.

China könnte viel zu einer Krisen-Vermeidung beitragen


Der derzeitige Einsatz von Antibiotika in China sowohl für die Fleischproduktion als auch für die Humanmedizin könnte 35 % - 45 % des weltweiten Bedarfs betragen. Allein der Verbrauch für den Menschen scheine mehr als das Zweifache der von der WHO empfohlenen Verschreibungsmenge zu betragen, aber die umfangreiche Fleischproduktionsindustrie des Landes scheine für mehr als 50 % des weltweiten Verbrauchs bei Tieren verantwortlich zu sein. Kürzlich hätten die Chinesen aber angekündigt, dass sie die Verwendung von Antibiotika in Tierfutter verbieten wollen - wenn dieser Schritt erfolgreich sei, könnte dies einen großen Beitrag zur Linderung der drohenden Krise leisten.

Jefferies hat vor diesem Hintergrund eine Reihe von potenziellen Gewinnern identifiziert, die mit diesem Thema geschäftlich verbunden sind. Zu den potenziellen Gewinnern gehören demnach Diagnostikunternehmen, kleine forschungsorientierte Medikamenteninnovatoren, die sich auf Antibiotika konzentrieren, Tierfutterhersteller und Unternehmen für alternative Proteine. Zu den möglichen Verlierern der Bemühungen zur Reduzierung/ Verlangsamung von AMR zählen dagegen Hersteller von Generika, Produzenten von tierischen Proteinen und Gesundheitsdienstleister. Die erste Grafik unten zeigt die Aussichten für den Markt mit antimikrobiellen Medikamenten und die danach folgende Tabelle gibt eine Übersicht zu jenen Unternehmen, die laut der US-Investmentbank einen geschäftlichen Bezug zu antimikrobiellen Mitteln haben.

Globale Marktgröße für antimikrobielle Medikamente, 2018-2025 (in Mio. USD)


Quellen: BCC Research, Jefferies

Profile der Unternehmen mit Exposure bei antimikrobiellen Mitteln


Quellen: Access to Medicine Foundation, Jefferies


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