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„Coronomics“: Wie das Coronavirus eine bereits strauchelnde Wirtschaft traf und mit welchen kreativen Lösungen der Staat nun arbeiten sollte!

Kommentare Michael Seibold 751 Leser

Liebe Leser,

hat die Coronakrise die Weltwirtschaft bei voller Fahrt ausgebremst oder lahmte die Konjunktur bereits vorher? Wie ist Deutschlands Haushaltspolitik zu werten? Warum sollte sich Deutschland nicht gegen die absehbare Monetarisierung der Staatsschulen wehren? Wie könnte die Wirtschaft resistenter werden? All diesen Fragen geht der Wirtschaftswissenschaftler Daniel Stelter in seinem erst kürzlich erschienenen Bestseller „Coronomics: Nach dem Corona Schock: Neustart aus der Krise“ nach.

Daniel Stelter ist ein deutscher Ökonom, mehrmaliger Bestseller-Autor sowie Gründer des Forums “Beyond the Obvious“, das auf Strategie und Makroökonomie spezialisiert ist. Zuvor war er leitender Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group. Außerdem veröffentlicht er regelmäßig Gastbeiträge im Manager Magazin, der Wirtschaftswoche, dem Handelsblatt und in der Süddeutschen Zeitung.



Kernthesen von Dr. Daniel Stelter

Bereits vor Corona strauchelte die Weltwirtschaft, auch die Wohlstandsverluste wurden weder in den USA noch in der Eurozone aus der Finanzkrise 2008/2009 aufgeholt. Durch staatliche Hilfsdarlehen für die Wirtschaft werden Pleitewellen nicht verhindert, sondern lediglich nur aufgeschoben. Sogenannte „Zombie“-Unternehmen werden dadurch am Leben gehalten. Der deutsche Staat war für die Krise nicht so gut gewappnet als immer behauptet wird. Staatsfinanzierung durch Notenbanken und steigende Inflation werden Realität (Keynesianismus). Auch die EU und der Euro sollten dringend reformiert werden. Weitere These von Stelter: Deutschland sollte nicht gegen den unausweichlichen Schuldenschnitt ansparen. Deutschland, aber auch seine Partner müssen die Coronakrise als Katalysator für den Wandel nutzen, negative Folgen abmildern und die Nachfragekurve aufrechterhalten. Auch könnten die Target2-Salden als ein Instrument für europäische Solidarität genutzt werden.



Warum sich bereits vor der Coronapandemie die Weltwirtschaft abkühlte?

War die Weltwirtschaft bis Januar 2020 noch in bester Ordnung und hat das Coronavirus sie lediglich aus der Bahn geworfen? Kann man so nicht unterschreiben, denn weder die USA noch die Eurozone haben ihre Wohlstandsverluste aus der Finanzkrise 2008/2009 aufgeholt. Hinter Italien liegen sogar zwei verlorene Jahrzehnte. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2019 gerade mal auf dem Stand von 2002. Eine der Ursachen sind ein schwächelndes Produktivitätswachstum. Weltweit wuchs die Produktivität zuletzt nur noch um 0,7 Prozent p.a.

In den westlichen Industrieländern ist das vor allem auf die schrumpfende Erwerbsbevölkerung zurückzuführen. Gleichzeitig verharren Zinsen auf Allzeittiefständen. Schon bei einer minimalen Anhebung des Zinsniveaus wären öffentliche wie private Schuldenberge in immense Höhen geschnellt. Ende 2019 entstand mit 322 Prozent des globalen BIPs ein neues Allzeithoch.

Daniel Stelter formulierte es in seinem Buch folgendermaßen: „Man kann es sich wie ein voll beladenes Flugzeug vorstellen, das trotz maximalen Triebwerksschubs nicht in der Lage ist, richtig an Höhe zu gewinnen. Das kleinste Luftloch kann da schon zu einem Absacken führen, was ziemlich rasch gefährlich wird.“

Wenn Zinsen niedriger sind als die Renditen auf Eigenkapital, ist es für Unternehmen und Investoren lukrativer, mit geliehenem Geld auf noch höhere Preise zu spekulieren. Durch Aktienrückkäufe und Unternehmensaufkäufen kann der Gewinn pro Aktie gesteigert werden. Doch nur kleinere Irritationen können zu einer Abwärtsspirale aus Notverkäufen und Insolvenzen führen.



Warum staatliche Hilfsdarlehen für die Wirtschaft Pleitewellen nicht verhindern, sondern nur aufschieben?

Was passierte eigentlich genau mit der Coronapandemie? Richtig: Ein plötzlicher Angebotsschock war gepaart mit einem massiven Nachfrageschock. Von heute auf morgen sackte der Umsatz in manchen Branchen teilweise auf fast null (siehe Tourismus, Luftfahrt, Kultur, Veranstaltungen, Hotels, Restaurants usw.). Der Staat musste die aggregierte Nachfragekurve wiederherstellen – die einzig notwendige Lösung, um einen Kollaps weitgehend zu verhindern. Das Kurzarbeitergeld wurde erweitert, es gab Direkthilfen für Kleinstunternehmer und Selbstständige, vor allem auch Liquiditätshilfen in Milliardenhöhe. Die Bürgschaft für viele Kredite übernimmt die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Was sind die Gefahren, wenn der staatliche Einfluss zunimmt? Wettbewerbsverzerrungen, ein leidender Mittelstand sowie das am Leben halten unproduktiver „Zombie“-Unternehmen sind mögliche Folgen.



Was wäre die Alternative gewesen? Wie bei einem Patienten unter Vollnarkose hätte man die Wirtschaft in ein künstliches Koma versetzen können und alle Schmerzen wären vorerst ausgeschalten worden: durch ein Aussetzen von Mieten, Löhnen oder Zinszahlungen. In diesem Fall hätte das Finanzamt allen Steuerzahlern ihre Einkommens- und Umsatzausfälle unbürokratisch erstattet, indem es ganz einfach drei Monate lang je ein Zwölftel des Vorjahresumsatz überwiesen hätte. Alle darüberliegenden Einkünfte werden im Folgejahr vom Steuerpflichtigen zurückerstattet. Nach dieser Komaphase entstehen keine neuen Schmerzen in Form von weiteren Schulden. Insolvenzen werden nur hinausgeschoben, können aber letztendlich auch nicht verhindert werden, lediglich der Schuldenberg der Unternehmen wird immer größer.



War der deutsche Staat für die Krise gewappnet? Wie sieht es mit der EU aus?

Stelter formulierte es so: „Wir haben es mit einer Politik zu tun, die die guten Jahre nicht dazu genutzt hat, das Land zukunftsfähig zu machen.“ Um eine chronische Depression der Wirtschaft zu verhindern, muss kurzfristig die Nachfrage vom Staat stimuliert werden. Dies geht nur, wenn Verbraucher wie Unternehmer von der Schuldenlast befreit werden. Nur so können sie wieder konsumieren und investieren. Doch wer soll all dies bezahlen?

Fakt ist, dass zwischen 2009 und 2018 die Staatsausgaben um 460 Mrd. Euro angestiegen sind, finanziert vom deutschen Sparer aufgrund der Niedrigzinspolitik. Die Aussicht, die wachsenden Schulden bald mithilfe höherer Steuern und einer schwarzen Null abzutragen, scheint trügerisch. Dafür bräuchte es ein robustes Wachstum gepaart mit konstant hohen Handelsüberschüssen. Weiter fügt Stelter hinzu: „Nach einer Studie der US-Bank JPMorgan Chase haben die Mitgliedsländer der Währungsunion wirtschaftlich weniger miteinander gemein als eine hypothetische Währungsunion aller Länder der Welt, deren Name mit einem M beginnt.“

Wirtschaftlich gesehen bleiben die Mitgliedsländer der EU ein heterogener Haufen, der bei Löhnen, Produktivität und Lohnstückkosten immer weiter auseinanderdriftet. Die EU ist vergleichbar mit einer Intensivstation, deren Leben mit billigem Geld weiter aufrechterhalten wird. Nicht wenige Politiker fordern eine Vergemeinschaftung von Schulden durch Coronabonds. Zum Vergleich: die privaten Vermögen im Verhältnis zum BIP sind in Ländern wie Italien und Spanien sogar höher als in Deutschland. Dies liegt auch daran, dass in den Südländern die Eigenheimquote deutlich höher ist. Echter Wohlstand wird nur geschaffen durch wirksame Strukturreformen, mehr Wettbewerb und Abbau der Bürokratie.



Staatsfinanzierung durch die Notenbanken

Schon vor der Coronakrise waren sich Experten einig, dass die Notenbanken sich verändern mussten. Es wurde nach Wegen gesucht, die Zinsen noch weiter zu senken und noch mehr Liquidität zu schaffen. Corona ist sozusagen ein willkommener Anlass, eine neue Ära der Geldpolitik einzuleiten. Stelter sagte dazu in seinem Buch: „Die Coronakrise beschleunigt nun das ohnehin zu erwartende Endspiel hin zur großen Schuldenmonetarisierung und letztlich zu einer Rückkehr der Inflation.“

Die beispiellose Geldschwemme lässt Vermögenspreise explodieren. Eine Verknappung der Arbeitskräfte wird zu steigenden Löhnen führen. Durch finanzielle Repression könnten Notenbanken auf eine evtl. steigende Inflation reagieren und somit seine Schulden entwerten. Deutschland sollte die Rolle des Sparers vermeiden, wenn alle Schulden monetarisiert werden. Im Gegenteil: Man sollte den kommenden Schuldenschnitt aktiv mitgestalten, denn der Gläubiger ist in solchen Fällen immer der Dumme. Jeder Staat überträgt einmalig einen Teil seiner Schulden auf einen gemeinsamen Schuldentilgungsfonds der Euroländer, den dann die EZB aufkauft und zins- und tilgungsfrei stellt.



Mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise des Staates

Anstatt in die Vergangenheit zu investieren, hat der Staat jetzt die Möglichkeit, durch höhere finanzielle Mittel, das Geld in Zukunftsthemen anzulegen. Die Coronakrise beschleunigt bereits vorhandene Trends wie Homeoffice, Onlinehandel, Digitalisierung, Automatisierung und die Energiewende.

Der Staat sollte die Chance nutzen, verstärkt in Bildung und Weiterbildung zu investieren sowie Forschung und Innovation zu fördern. Außerdem muss der Verwaltungsaufwand für den Sozialstaat sinken, indem künftige Verbindlichkeiten effizienter gemanagt werden. Es muss Vermögen gebildet und gesichert werden. Investitionen in Sachwerte wie Aktien und Immobilien sollten gefördert werden nach dem Vorbild des norwegischen Staatsfonds, der die Bevölkerung bereits zu reichen Bürgern machte.

Ebenfalls sollte der Staat wieder mehr Anreize schaffen, damit sich Arbeit auch tatsächlich lohnt. Standortfaktoren müssen verbessert werden, indem der Staat Abgaben senkt, mehr Geld für die Digitalisierung bereitstellt und eine Wende in der Energiepolitik herbeiführt.

Nur durch das Setzen der richtigen Rahmenbedingungen kann die Krise als Chance genutzt werden.

Liebe Anleger,

ich wünsche Ihnen noch viele erfolgreiche Investments!

Bis zur nächsten spannenden Story,

Michael Seibold

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Bildherkunft: https://unsplash.com/photos/Tzoe6VCvQYg