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Der Ölpreis steigt von einem Hoch zum nächsten, während die Öl-ETFs nicht mehr vom Fleck kommen. Woher kommt die Divergenz?

Kommentare Marius Müllerhoff 30.091 Leser

Liebe Investoren und Trader,

seit der Bekanntgabe des Biontech/Pfizer Impfstoffes am 09.11.2020 sowie wenig später des Impfstoffes von Moderna hat sich der Ölpreis von 38 USD auf 76 USD verdoppelt. Seit Anfang des Jahres liegt die Performance gut 60%. Das letzte Mal, als wir ein Preisniveau von 76 USD je Barrel sahen, war im November 2014. Interessanterweise koppeln sich seit einige Wochen die großen Öl-ETFs wie XLE, OIH und XOP von dem anziehenden Ölpreis ab. Sie verlaufen entweder seitwärts oder sind sogar gefallen. Das ist überraschend. Was könnte hinter dieser Divergenz stecken?

Quelle: desk.traderfox.com

Öl-ETFs hinken dem Ölpreis hinterher


Katalysatoren hinter der beeindruckenden Performance des Ölpreises seit November 2020 sind die stark heruntergefahrenen Investitionen während der Corona-Krise, der erwartete Nachfrageschock infolge des Impfstoffes und der sog. Inflationstrade. Die bekanntesten Öl-ETFs kommen dieser Perfomance aber nicht hinterher. Insbesondere in den vergangenen vier Wochen weisen sie eine stagnierende oder sogar negative Performance auf. Der größte Energie ETF (bezogen auf das Gesamtanlagevolumen) mit dem Tickersymbol XLE beinhaltet u.a. die Schwergewichten Exxon Mobile mit 24% und Chevron mit 21%. Dieser ETF hat seit Jahresbeginn um 45% zugelegt, aber in den vergangenen vier Wochen stagniert. Der zweit größte Öl-ETF trägt das Tickersymbol XOP. Er ist nach einer 70%igen Performance seit Jahresbeginn in den vergangenen vier Wochen seitwärts verlaufen. Dieser ETF beinhaltet Unternehmen aus den Bereichen der Öl- und Gasexploration und -produktion wie Marathon Oil mit 5% und Diamondback Energy mit 4,5%. Der drittgrößte Energie-ETF hat das Tickersymbol OIH. Hier befinden sich Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich für den Öl-Sektor wie Schlumberger mit 19% und Halliburton mit knapp 12%. Dieser ETF ist seit Jahresbeginn um gut 47% gestiegen. Seit vier Wochen hat er jedoch an Performance einbüßen müssen. Er ist um 10% Punkte gefallen.

Quelle: https://bigcharts.marketwatch.com

Was könnte hinter der relativen Underperformance dieser Öl-ETFs stecken?


Die Empirie bei Commodities zeigt, dass Commodity-ETFs dazu tendieren, den Preisanstieg des jeweiligen Rohstoffes vorwegzunehmen. Soll heißen, üblicherweise outperformen sie den Rohstoff-Preis. Aktuell sehen wir jedoch ein komplett entgegengesetztes Bild, wie oben beschrieben. Zunächst könnte dies daran liegen, dass Investoren und Trader die Stärke des Ölpreises als Anlass dazu genommen haben, um sich nach einer gut sieben Monate dauernden Rallye neu zu positionieren, es also zu einem Rebalancing ihrer Energie-Portfolios kommt. Darüber hinaus könnte es sich auch um einen physischen „Supply-Squeeze“ handeln. Experten sind der Ansicht, dass es zwar ausreichend Öl in Cushing Oklahoma gibt. Es scheint aber nicht die richtige Mischung zu sein, die die WTI-Contracts erfüllen würde. Daher der „Supply-Squeeze“.

Was lässt sich abschließend sagen?


Der Ölpreis scheint unaufhaltbar in Richtung Norden zu galoppieren, während die wichtigsten Öl-ETFs seit vier Wochen nicht mehr nachziehen. Es wird wichtig sein, zu beobachten, wie sich diese ETFs in den kommenden Tagen und Wochen entwickeln, insbesondere dann, wenn der Ölpreis auf die psychologisch wichtige Marke von 80 USD steigt. Falls die ETFs dann nicht an der „Party“ partizipieren sollten, wäre die Lage auf dem Ölmarkt vermutlich mit Vorsicht zu genießen. Andererseits könnten die ETFs aktuell eine längere „Verschnaufspause“ einlegen, um dann mit noch mehr Schwung nach oben auszubrechen.

Aufklärung über Eigenpositionen: Der Autor hält Anteile an XLE.


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