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IPO-Welle: Auch für spätere Super-Aktien unter den Börsen-Neulingen ist aller Anfang am Aktienmarkt oft schwer

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Die jüngsten starken Kursgewinne bei einigen Aktien-Neuemissionen dürften viele Anleger Appetit auf mehr machen. Eine aktuelle Studie von HQ Trust zeigt aber, dass sich bei vielen IPOs Geduld bezahlt macht. Denn viele der späteren „Super-Aktien“ kristallisieren sich erst im Laufe der Zeit als solche heraus.

Das Emissionskarussell ist jüngst wieder in Bewegung gekommen. Selbst in Deutschland gab es zuletzt wieder einige Börsenneulinge. Einer davon ist mit der in der Energieübertragung und -erzeugung tätigen Siemens Energy eine Abspaltung aus dem Siemens-Konzern, die alleine schon wegen ihrer Größe (Börsenwert von mehr als 16 Mrd. EUR) auf Interesse stieß.

Sogar richtig rund geht es inzwischen an der IPO-Front in den USA. Die Aktien-Neuemissionen stiegen nach Angaben des US-Datenanbieters TrimTabs Research im zweiten Quartal auf 218,7 Mrd. USD, was das zweithöchste Volumen in den vergangenen 15 Jahren darstellte. Im dritten Quartal brachten US-Unternehmen weitere Aktien im Wert von 125,5 Mrd. USD auf den Markt, was erst das vierte Mal in den vergangenen 15 Jahren war, dass das Volumen die Marke von 125 Mrd. USD überschritt.

Quelle: TrimTabs Research

Nach Einschätzung der Analysten bei TrimTabs Research ist das Angebot an neuen Aktien kontinuierlich auf ein Niveau gestiegen, das den Aktienmärkten Verdauungsstörungen bereitet kann. Unterschiedlich interpretieren darüber hinaus Marktteilnehmer die Tatsache, dass viele Neulinge auf eine sehr rege Nachfrage stoßen. So verdoppelte sich der Kurs des Anbieters von cloudbasierten Datendiensten Snowflake am ersten Handelstag, obwohl es sich dabei um keine kleine Klitsche handelte, sondern um den bisher größten Börsengang eines Softwareunternehmens weltweit. Pessimisten fragen sich vor diesem Hintergrund, ob das kein Signal für zu viel Euphorie ist am Markt, während Optimisten dies als ein Zeichen von Stärke inmitten eines intakten Bullenmarktes sehen.

IPO-Studie von HQ Trust


Wer das bunte Treiben im Neuemissions-Bereich beobachtet, dürfte sich auch daran erinnern, wie viel Geld mit Aktien wie Facebook oder Alphabet etc. seit deren Börsengang zu verdienen war. Allerdings ist es nicht leicht, die späteren Gewinner gleich am Anfang als Überperformance-Bringer zu identifizieren.

Interessant sind in diesem Zusammenhang Überlegungen und Untersuchungen, die Sven Lehmann, Partner und Fondsmanager bei HQ Trust, dem Multi Family Office der Familie Harald Quandt, gerade in einer aktuellen Publikation angestellt hat.

Darin schreibt Lehmann folgendes; „Die Aktienauswahl könnte so einfach sein … wenn Investoren eine Glaskugel hätten und wüssten, welche Titel sich in den kommenden zehn Jahren am besten entwickeln. Garantiert wäre die gute Performance trotzdem nicht. Denn in der Vergangenheit starteten manche ‚Superaktien‘ so holprig, dass einige Investoren wohl kalte Füße bekommen hätten.“

Zu diesen Erkenntnissen kam der HQ Trust-Experte während eines Blicks in den Rückspiegel. Denn er hat ermittelt, welche Aktien den marktbreiten MSCI ACWI seit dem Jahr 1994 10 Jahre in Folge im Schnitt um 10 % pro Jahr übertroffen haben. Insgesamt trifft das laut dem Fondsmanager immerhin auf 1.665 unterschiedliche Aktien zu, wobei diese in mehreren Zeiträumen auftauchen konnten. Dass diese Outperformance keineswegs linear verlaufen ist, zeigt die weitere Analyse. Untersucht wurden dabei alle Aktien, die sich derzeit im MSCI ACWI befinden. Die Berechnungen fanden immer zum Start eines Kalenderjahres statt.

Die Ergebnisse bringen Lehmann zu der Erkenntnis, dass die ‚Superaktien zum Teil erhebliche Schwierigkeiten hatten, aus den Startblöcken zu kommen. Nach dem ersten Jahr hätten zwar rund zwei Drittel der Top-Performer besser abgeschnitten als der Markt. Das bedeute aber auch, dass dies einem Drittel nicht gelungen sei.

Deren Underperformance sei dabei zum Teil erheblich gewesen: Rund 12 % der ‚Superaktien‘ hätten nach einem Jahr im relativen Vergleich um mindestens 25 % hinter dem Vergleichsindex gelegen, 3 % der Papiere sogar um mehr als 50%. Nach 3 Jahren habe sich der %-satz der Outperformer unter den ‚Superaktien‘ zwar auf 84 % erhört. Das bedeute aber auch, dass jede sechste Aktie weiterhin hinter dem MSCI ACWI rangiert und ihre Underperformance erst in den Folgejahren aufgeholt habe. Laut Lehmann kommt es beim Kauf von Aktien deshalb auch auf Vertrauen und Durchhaltevermögen an. Denn selbst ein gutes Unternehmen laufe nicht konstant besser als der Markt.

Apple und CSL als Beispiele


Lehmann nennt auch noch 2 prominente Beispiele: So habe das australische Pharmaunternehmen CSL, das in allen 16 Zehnjahreszeiträumen seit 1995 immer den Index um mehr als 10 % p.a. geschlagen habe, im Jahr 2002 mehr als 40 % relativ hinter der Benchmark, dem MSCI ACWI, gelegen, und Ende 2004 seien es immer noch 28 % gewesen. Ende 2011 habe die CSL-Aktie dann aber um 188,5 %-punkte vor ihrer Benchmark gelegen.

Auch das zweite Beispiel Apple, das seit Ende 1995 in 15 Zeiträumen über 10 Jahre den Index immer über 10 Prozent p.a. geschlagen habe, habe in 5 Fällen im ersten Jahr hinter der Benchmark gelegen. In den Jahren 2000 bis 2002 habe Apple relativ um 52,4 % hinter dem ACWI rangiert. Doch Ende 2009 sei die Aktie dann satte 492 Prozentpunkte besser als der Index gewesen.

In konkreten Zahlen heißt das, wie Lehman vorrechnet: Hätte man Ende 1999 sowohl 100 Euro in Apple als auch in den MSCI ACWI investiert, wäre Ende 2002 das Apple-Investment nur noch 26,63 EUR wert gewesen. Das Investment in den ACWI aber 56,01 EUR. Ende 2009 hätte man dafür aber 572,87 EUR bei Apple und nur 76,35 EUR beim ACWI zurückbekommen.

Fazit:

Die Erkenntnisse lassen es in vielen Fällen als weise erscheinen, dass man als Anleger erst einmal ruhig abwartet, wie sich ein Neuling an der Börse entwickelt. Die echten Favoriten kristallisieren sich laut der HQ Trust-Untersuchung jedenfalls erst im Laufe der Zeit heraus. Allerdings ist es wichtig, dann irgendwann auch bei den richtigen Aktien zuzugreifen, denn mit den echten Höhenfliegern unter den Börsen-Neulingen war seit 2009 schon sehr viel Geld zu verdienen. Das wiederum spricht dafür, Neuemissionen nicht generell links liegen zu lassen, sondern ihnen so wie jeder anderen Aktien auch eine faire Chance zu geben, sich als potenzielles Investment zu qualifizieren.


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