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Kann der strauchelnde Value-IT-Riese “Big Blue“ auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückkehren?

Aktienanalysen Michael Seibold 1.085 Leser

Liebe Leser,

International Business Machines kurz IBM gibt es seit über 100 Jahren, genauer genommen seit 1911 und ist eine Value-Aktie unter den IT-Unternehmen. Wenn wir einen Blick auf den Chart werfen, fällt auf, dass der einstige Gigant in den letzten 10 Jahren ins Straucheln geraten ist.

IBM hat es nicht geschafft, mit neuer Innovation ein Wachstum zu generieren. Alte Strukturen lähmen den Riesen. Einen ersten Schritt zur Erneuerung hat das IT-Urgestein vor kurzem angekündigt: Man möchte seine Sparte Managed Infrastructure Service abspalten und als eigenständiges Unternehmen an die Börse bringen. Die Trennung soll bis Ende 2021 abgeschlossen sein. Damit möchte IBM seine Cloud-Sparte attraktiver machen. Ob und inwiefern diese Ankündigung sich nachhaltig auf die Bewertung auswirken könnte, möchte ich näher beleuchten. Außerdem soll es auch um die grundsätzliche wirtschaftliche Situation von IBM gehen. Wie verdienen sie ihr Geld und ist die Aktie aktuell attraktiv bewertet?



Zahlen, Daten, Fakten

Quelle: Daten/Graphs im AktienTerminal von TraderFox

IBM kommt derzeit auf eine Marktkapitalisierung von 110 Mrd. US-Dollar und ist auch im Dow Jones Index enthalten. Vorrangig war das Unternehmen ein Technolgieunternehmen, ist jetzt aber hauptsächlich ein Beratungsunternehmen. Letztes Jahr kam IBM auf einen Umsatz von ca. 77 Mrd. US-Dollar. Seit April 2020 wurde Arvind Krishna neuer CEO. Der US-amerikanische-indische Manager ist bereits seit 30 Jahren für IBM tätig und war 2015 zum Senior Vice President der Abteilung Cloud and Cognitive Software befördert worden.

In den 1990er Jahren dominierte IBM die Computer-Hardware- und Softwarewelt. Durch viele Fehlentscheidungen des Managements ließ man sich von Unternehmen wie Microsoft, Adobe, Apple und Co. verdrängen. Man weichte in die unprofitable Hardwarebranche und in die Beratungsbranche aus. Mit einem vermeintlichen erwarteten KGV für 2021 von 10 scheint IBM für ein IT-Unternehmen günstig bewertet.

Seit über 100 Jahren werden Dividenden gezahlt, seit 25 Jahren wird sie auch ununterbrochen erhöht. Einreihen würde man IBM nach Peter Lynch bei den Slow Growern und bei der Nicht-zyklischen Branche. Jedoch wächst das Unternehmen seit ca. 10 Jahren schon nicht mehr, im Gegenteil: Umsätze und Gewinne sind seitdem rückläufig.

Im Geschäftsbericht von 2019 sehen wir die unterschiedlichen Segmente von IBM: Global Business Service (22 % Umsatzanteil) und Global Technology Services (35% Umsatzanteil) zählen zu den Beratungsleistungen des Unternehmens. Die Bruttomarge in diesen Bereichen liegt im Durchschnitt bei knapp über 30 Prozent. Wachstum ist hier nicht vorhanden. Die Umsätze stagnieren. Leichtes Wachstum mit 6 Prozent + weist die Cloud & Cognitive Software Sparte auf (30 Prozent Umsatzanteil). Die anderen Bereiche wie Systems, Global Financing kommen zusammengerechnet noch auf einen 12-prozentigen Umsatzanteil. Auch hier schrumpfte der Umsatz.

 

Quelle: Investor Relations Annual Report 2019

Werfen wir einen Blick auf die aktuellen Quartalszahlen in Q3, die das Unternehmen Ende Oktober meldete. In den drei Monaten zwischen Juli und September sank der Umsatz um drei Prozent auf 17,6 Mrd. USD. Der Nettogewinn konnte leicht gesteigert werden um zwei Prozent auf 1,7 Mrd. USD. Zuwächse gab es diesmal vor allem im Cloud-Geschäft mit IT-Diensten und Speicherplatz um 19 Prozent auf 6,0 Mrd. USD. Schwäche bildete wieder einmal das traditionelle Hardware-Kerngeschäft mit Servern und Großrechnern.



Was steckt hinter dem Cloud-Geschäft von IBM?

Das Segment Cloud & Cognitive Software ist der Hoffnungsträger von IBM. Mit einem 30-prozentigen Umsatzanteil ist es das am stärksten wachsende Segment und hat auch die höchsten Bruttomargen. Speziell die Strategie zum Hybrid Cloud Modell hat IBM durch die Akquisition von Red Hat gestärkt. In dem gesamten Segment geht es um Cloud-, KI- und Datenlösungen, Sicherheitssoftware usw.

Innerhalb der Cloud-Lösungen gibt es kleine, aber feine Unterschiede. Nehmen wir den Marktführer Amazon (AWS) als Beispiel. Dabei handelt es sich um einen Public Cloud Anbieter, die den Server verwalten, den Unternehmen nutzen können. Weiter zu unterscheiden ist die Private Cloud, bei der die Daten auf eigenen Servern von den Unternehmen gehostet werden. Neben diesen zwei gibt es noch eine On-Premise-Lösung, was soviel bedeutet, dass man eine Software vor Ort auf einem Computer oder anderem Medium installiert und auch nur dieses Medium kann dann darauf zugreifen.

Jetzt kommen wir zu dem Modell, wovon IBM mit der Hybrid Cloud spricht. Dieses vermischt je nach System und Sensibilität der Daten alle drei Lösungen miteinander. Auch AWS wechselt seine Strategie nun vom Public Cloud Anbieter zu einem klassischen IT-Anbieter. Corona hat eben nicht nur insgesamt die Abwanderung von Unternehmen und Institutionen weltweit in die Cloud beschleunigt, sondern zugleich in die neue „Multicloud“ und „Hybridcloud“.

 

Quelle: Investorenpräsentation Q3

IBM hat zuerst versucht mit den Public Cloud Anbietern wie Azure oder AWS zu konkurrieren, hat es jedoch nicht geschafft. Durch den Aufkauf der Open Source Plattform Red setzt Big Blue verstärkt auf die Cloud Infrastruktur. Darauf aufbauend soll Software, Services oder Beratungsleistungen verkauft werden. Den Hybrid Cloud Markt schätzt das Unternehmen selbst auf 1 Bio. USD, was dem 2,5-fachen des Pubilc Cloud Markts entspricht. Mit der neuen Positionierung möchte IBM zurück auf den Wachstumskurs kommen.

Umgesetzt werden soll es dann nur zwei eigenständige Unternehmen, zum einen eben IBM und zum zweiten NewCo:

 

Quelle: Investorenpräsentation Q3

Nach der jetzigen Situation entfallen auf IBM 59 Mrd. USD Umsatz (76 %) und auf NewCo 19 Mrd. USD (24 %).

"IBM entledigt sich im Wesentlichen eines schrumpfenden, margenschwachen Geschäftsbereichs angesichts des kannibalisierenden Einflusses von Automatisierung und Cloud", sagte Moshe Katri (Analyst bei Wedbush Securities).

Ein klarer Fokus ist wichtig, um auf dem Markt bestehen zu bleiben. Tech-Analyst Ben Thompson sieht den Grund für die Abspaltung darin, dass sich die benötigte Kundenkultur nicht mehr erreichen ließe, ein Geschäftsmodell könne man dagegen schneller ändern. Das Ziel hinter der Abspaltung ist ein nachhaltiges Erreichen von Wachstumsraten im einstelligen Prozentbereich in der mittleren Frist.



Fazit

Positiv zu werten sind sicher relative stabile Erträge und die Intention, etwas an ihrem bisherigen Geschäftsmodell zu verändern. Die Nettogewinnmarge liegt immer noch konstant bei über 10 Prozent. Auch der Free Cashflow liegt in den letzten Jahren konstant über dem Gewinn. IBM hat zwar aktuelle relativ viele mögliche Wachstumsfelder wie AI, Big Data, Quantum-Computing oder Blockchain, schafft es jedoch nicht diese auch in nachhaltige Umsatz- und Gewinnsteigerungen umzumünzen.

Durchaus kritisch zu sehen ist auch die derzeitige hohe Verschuldung. In der Bilanz 2019 lag diese bei 62 Mrd. USD bei gleichzeitig 20 Mrd. USD Eigenkapital. Allein für die Übernahme von Red Hat 2019 musste IBM rund 34 Mrd. USD hinblättern. Dies lastet schwer auf den Schultern von Big Blue. Auch kann das Unternehmen nicht ewig seine Dividenden erhöhen, wenn die Gewinne und Umsätze rückläufig sind. Dann fehlt das Geld für das Investieren und den Schuldenabbau.

Zu überlegen wäre für mich eine Investition erst dann, wenn eine Aussicht auf einen nachhaltigen Turnaround in den Geschäftsberichten zu sehen ist.

Liebe Anleger,

ich wünsche Ihnen noch viele erfolgreiche Investments!

Bis zur nächsten spannenden Story,

Michael Seibold

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Bildherkunft: https://unsplash.com/photos/OHx5zVsv_gY