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Neue Nasdaq-Rekorde als Lehrbeispiel: Was Anleger zur Bedeutung bestehender Trends für Erfolg beim Investieren unbedingt beherzigen müssen

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Angetrieben von neuen Rekorden bei Schwergewichten wie Apple, Microsoft und Amazon markierten die technologielastigen Aktienleitindizes an der Nasdaq am Donnerstag neue Bestmarken. Aus Bullensicht ist das zwar für sich alleine betrachtet ein Grund zur Freude. Insbesondere die Bären unter den Marktteilnehmern dürften angesichts dieser Entwicklung die ohnehin bereits hitzigen Diskussionen zur Frage, ob die Kursrekordjagd angesichts einer vom Coronavirus gebeutelten Konjunktur nicht Blasen-Charakter hat, jetzt aber noch einmal zusätzlich intensivieren.

In einer aktuellen Publikation erteilen die beiden Julius Bär-Charttechniker Mensur Pocinci, und Alexis Chassagnade eine Art Lehrstunde dazu, wie man aus ihrer Sicht am besten mit bestehenden Trends umgehen sollte. Nach einer 5-jährigen Outperformance von US-Aktien lautet der dazu passende Titel ihrer Veröffentlichung: „Lektionen zum Jubiläum“.

Zu Beginn ihrer Ausführungen verweisen die Experten bei der Schweizer Privatbank zunächst auf Seite 18 ihrer Publikation. Denn sie unterstellen, dass Leser vermuten könnten, dass die dort zu findenden Ratings zu regionalen MSCI-Indizes und deren erwarteter Kursrichtung veraltet sein könnten. Schließlich gebe es dort Einstufungen, die seit 5 Jahren und mehr bis heute unverändert geblieben seien.

Doch Pocinci und Chassagnade versichern ihrer Leserschaft, dass die dortigen Angaben nicht veraltet sind. Vielmehr seien die Bewertungen unverändert geblieben, weil auch die ursprünglich erwarteten Trends intakt geblieben seien. So habe man beispielsweise vor 5 Jahren die US-Börse mit Übergewichten eingestuft und Aktien aus Europa mit Untergewichten. Seitdem hätten die US-Aktien ihre europäischen Pendants um 49 % übertroffen.

Nach 5 Jahren Übergewichten von US-Aktien ergibt sich ein Performance-Vorsprung von 49%



Zur Fragen, welche Lehren sich daraus ziehen lassen, kommen die Autoren zu 3 wichtigen Schlussfolgerungen. Erstens zeige die Historie, dass man als Anleger mit einer Durchschnittsaktie im Schnitt schlechter abschneide als mit dem Halten von Cash (siehe nächste Grafik). So habe eine Studie über 90 Jahre gezeigt, wie schwierig das Stock-Picking tatsächlich sei. Denn dem Ergebnis zufolge sei es weniger als der Hälfte aller Aktien gelungen, die Renditen der 1-monatigen US-Schatzwechsel zu übertreffen. Dies sei ein gutes Beispiel dafür, dass das Timing und die Auswahl eine entscheidende Rolle für die am Ende erzielte Rendite spielen.

Traurig aber wahr - die durchschnittliche Aktie ist ein renditeloses Risiko



Quellen: H. Bessembinder (2018). “Do stocks outperform Treasury bills?”, Journal of Financial Economics, volume 129, pp. 440-57; Julius Baer

Als jüngstes Beispiel für eine Aktie mit einer Performance unter der von Cash führt man Wirecard an. Dazu konstatieren die beiden Charttechniker zunächst, dass die Anleger natürlich dazu neigen würden, beim Ziehen einer Performance-Bilanz alle Aktien zu vergessen, die von den Börsen dekotiert wurden. Dieses Schicksal droht neuerdings nach Bilanz-Betrügereien auch dem deswegen vor der Zerschlagung stehenden deutschen Zahlungsdienstleister Wirecard. Wie man vorrechnet, kam der Titel bei Veröffentlichung der Studie nach dem jüngsten Kurssturz seit der Erstnotierung im Jahr 2000 letztlich auf ein Minus von 73 %. Das wiederum vergleiche sich mit einem gleichzeitigen Gewinn von 40 % für auf Sicht von 3 Monaten angelegtes Tagesgeld.

Wirecard performte letztlich schlechter als Dreimonatsgeld



Bloomberg Finance L.P., Julius Baer; M = month

Die Lektion Nummer 2 besteht darin, dass historisch betrachtet die meisten Gewinne von einer Handvoll Aktien erzielt werden. Wie man dazu aus der bereits zuvor erwähnten Langfrist-Studie zitiert, stammte die gesamte Nettovermögensbildung auf dem US-Aktienmarkt von 1926-2016 von nur 4 % aller Aktien.

4 % der Aktien schafften allen Wohlstand – sie zu ignorieren, geht auf eigene Kosten



Quellen: H. Bessembinder (2018). “Do stocks outperform Treasury bills?” Journal of Financial Economics, volume 129, pp. 440-57; Julius Baer.

Dabei sei es natürlich nicht schwer, sich das vorstellen zu können. Zur Illustration dafür verweist man auf die von Tesla erzielte Performance im Vergleich zum Rest der Automobilindustrie. Daraus lasse sich ableiten, dass es schwer negative Folge für die Performance eines Portfolios hat, wenn die wertschöpfenden 4 % aller Aktien darin nicht enthalten sind. Wie folgenreich die Erkenntnis ist, dass die meisten Gewinne nur von einer Handvoll an Aktien erzielt wird, rechnet man wie bereits angedeutet anhand des Tesla-Beispiels vor: Demnächst legte der Elektroautobauer aus den USA seit der Erstnotiz um 6.190 % zu. Im gleichen Zeitraum verlor der MSCI-Autosektor dagegen rund 74 %.

Performance-Vergleich von Tesla und MSCI Autosektor-Index ein gutes Beispiel



Die dritte wichtige Lehre, welche die beiden Julius Bär-Charttechniker ziehen, ist jene, dass Trends erfahrungsgemäß länger dauern als die meisten Anleger denken. Als Beispiel für die These greift man auf die Entwicklung des Nasdaq 100 Index zurück. Dieser habe im Jahr 2007 damit begonnen, sich besser zu entwickeln als der Rest der Börsenwelt. Seitdem sei es diesem Index gelungen, sich jährlich im Schnitt um 15 %, insgesamt also um 585 %, besser zu entwickeln als der Rest der Welt (MSCI-Welt-Index ex USA). Anstatt auf einen Umschwung zu spekulieren, sind Anleger also besser beraten, bestehenden Trends zu folgen, lautet darauf die Schlussfolgerung. Wie die beiden anderen Lektionen eine Erkenntnis, die man als Anleger künftig beim Investieren beachten sollte.

Nach einer Outperformance von 15 % p.a. in 13 Jahren gibt es noch keinen Grund, auf eine Umkehrung des Trends zu wetten


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