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Portfoliocheck: Der zweitgrößte Aktionär von Sea Ltd. ist nun… Value Investor Frank Sands

Portfoliocheck Michael C. Kissig 4.567 Leser

Frank Sands engagiert sich bevorzugt in dominierenden Wachstumsunternehmen mit langfristig profitablen Aussichten. Der äußerst erfolgreiche Investor leitet die gleichnamige Anlagegesellschaft Sands Capital Management seit mehr als 25 Jahren – inzwischen gemeinsam mit seinem Sohn Frank Sands Jr.

Der klassische Konflikt zwischen Value und Groth, also bei der Auswahl zwischen unterbewerteten Buchwert-Schnäppchen oder Wachstumsaktien, beschäftigt Frank Sands nicht; wie Warren Buffett sieht er hier keinen Zwiespalt mehr. „Das Orakel von Omaha“ ist inzwischen der Auffassung, Wachstum sei ein Bestandteil des Value-Ansatzes und daher liege hier kein grundsätzlicher Konflikt vor. Vielmehr müsse man jeweils den Einzelfall betrachten: ein Wachstumsunternehmen, das keinen nachhaltigen Wert schafft, ist kein gutes Investment. Ein Value-Unternehmen ohne Wachstum reduziert das Anlagespektrum auf die berühmten Zigarrenstummel nach Benjamin Graham. Buffett hingegen bevorzugt Unternehmen mit solidem Wachstum zu einem attraktiven Preis.

Und auch in einem weiteren Punkt folgt Sands Warren Buffett, denn auch er konzentriert seine Investments auf die besten Werte und verzichtet auf eine zu breite Streuung. Und hier schließt sich der Kreis zu einer weiteren Börsenlegende: Philip A. Fisher.

„Anleger sollten peinlich genau darauf achten, nicht die meisten, sondern die besten Aktien zu halten. Bei Aktien kann Masse niemals mehr als schwacher Ersatz für Klasse sein."

(Philip A. Fisher)

Dieses Verständnis ist auch die Grundlage der Investmentphilosophie von Frank Sands. Er ist auf der Suche nach dominierenden Wachstumsunternehmen und geht nach einem strikten Katalog mir sechs Kriterien vor:

1. nachhaltiges überdurchschnittliches Gewinnwachstum

2. Marktführerschaft in ihrer jeweiligen Branche

3. Burggraben: starke Wettbewerbsvorteile, einzigartiges Geschäftsmodell

4. eine klare Philosophie sowie einen wertschöpfenden Fokus

5. Finanzstärke

6. angemessene Bewertung im Hinblick auf Markt- und Geschäftsaussichten

Wichtigste Käufe und Verkäufe im 2. Quartal 2020

Im 2. Quartal 2020 hielt Frank Sands 77 Werte im Portfolio im Gesamtwert von 41,3 Milliarden Dollar, darunter 6 neue; seine Turnover-Rate lag bei überschaubaren 8 Prozent.

Die größte Auswirkung hatte das Wiederaufstocken bei Edwards Lifesciences, die Frank Sands im ersten Quartal noch um mehr als ein Viertel reduziert hatte. Fast genauso stark hat er bei DexCom aufgestockt, während Charter Communications, Warner Music Group und Grocery Outlet neu im Depot sind. Bei Sea Ltd. ließ es Sands zuletzt etwas ruhiger angehen; nachdem er in den Vorquartelen seine Position massiv aufgestockt hatte, kamen im zweiten Quartal noch einmal knapp 14 Prozent hinzu.

Abgebaut hat Sands seine Positionen im Gegenzug bei Alibaba, Salesforce, die er beiden bereits im ersten Quartal deutlich reduziert hatte, und bei Activision.

Top-Werte im Portfolio zum Ende des 2. Quartals 2020

Communication Services setzten ihren Siegeszug in Sands Depot fort und sind mit einem Anteil von 28,2 Prozent nun der Spitzensektor, während Technology mit 26,2 Prozent auf den zweiten Platz abrutschte. Es folgen Healthcare mit 17,5, zyklische Konsumwerte mit 15,9 und Financial Services mit 7,2 Prozent.

Auf dem Spitzenplatz von Sands stark fokussierten Portfolio bleibt Amazon mit knapp 7,5 Prozent doch bereits auf dem zweiten Rang mit sieben Prozent Anteil logiert nun Sea Ltd., die sich vom siebten Rang verbessert haben. Unverändert folgen VISA und Netflix, während ServiceNow und Alibaba die Plätze getauscht haben.

Die von der Muttergesellschaft IAC InterActive Corp. abgespaltene Match Group ist neu in Sands Top 10, während die ihr folgenden Illumina, Aplhabet, Adobe und Facebook alte Bekannte sind.

Aktie im Fokus: Sea Limited


Sea Ltd. ist eines der aufstrebenden Online-Unternehmen Asiens und der Name ist Programm: SEA steht für SouthEastAsia. Das in Indonesien beheimatete Unternehmen ist in Malaysia, Singapur, Thailand, Taiwan, Vietnam, den Philippinen und Indonesien tätig und in drei Segmenten aktiv: E-Commerce wird durch die Tochter Shopee bedient, Garena bietet Digital Entertainment, wie Onlinegaming und E-Sports, und SeaMoney unterhält die Digital Financial Services.

 

Quelle: Wachstums-Check TraderFox

Die Umsätze verteilten sich im zweiten Quartal etwa hälftig auf E-Commerce und Digital Entertainment. Dabei stiegen die E-Commerce-Erlöse um enorme 188 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, woran Corona einen gehörigen Anteil hatte.

Shopee

Seas E-Commerce-Umsätze generiert hauptsächlich Shopee, das sich nach seiner Markteinführung in 2015 schnell zur führenden Online-Handelsplattform in Südostasien und Taiwan entwickelt hat.

Shopee ist eine Handels-Plattform mit einem ähnlichen Geschäftsmodell wie Amazon oder Alibaba. Es werden keine Gebühren für das Einstellen von Produkten verlangt, sondern das Geld wird mit interner Werbung verdient und dem Zahlungssystem. Ähnlich wie bei Amazon können Anbieter dafür bezahlen, dass ihre Produkte weiter oben in den Suchergebnissen stehen und als am stärksten frequentierte Anlaufstelle für Onlineshopping sind diese führenden Suchergebnisplätze bei den Händlern heiß begehrt. Und werden entsprechend teuer vermarktet.

Shopee ist in Indonesien die führende App in Bezug auf monatlich aktive Nutzer, Downloads und der Zeit, die Android-Nutzer in der Kategorie Shopping verbracht haben. Daraus resultierte 2019 ein Gesamtwarenumsatz (GMV) von mehr als acht Milliarden Dollar, was einer Steigerung von 110 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Shopee bleibt innovativ und führt regelmäßig ergänzende Services ein, um seine Geschäfte auszuweiten. Gerade erst wurde Shopee Premium vorgestellt als Premium-Dienst für High-End-Marken. Shopee Premium wird zunächst fünf wichtige asiatische Märkte bedienen, nämlich Singapur, Vietnam, Thailand, Malaysia und Indonesien. Unter anderem werden Top-Marken wie Calvin Klein, Ralph Lauren und L’Occitane vertreten sein. Mit diesem neuen Premium-Angebot möchte Shopee die Marken dabei unterstützen, das Online-Einkaufserlebnis ihrer Kunden zu verbessern, indem sie die Kundeninformationen und Markentools von Shopee nutzen.

Während alle Markenhersteller versuchen, ihren Onlineabsatz zu erhöhen und auch die Zahl der Online-Shops und -Portale in die Höhe schießt, kann Shopee mit einem entscheidenden Vorteil punkten: die Käufer sind bereits da und das macht Shopee Premium für die Markenanbieter attraktiv, da sie keinen eigenen Marketingaufwand betreiben müssen, um diese auf ihre eigenen Websites und ihren eigenen Shop zu lotsen.

Allerdings muss auch Shopee agil bleiben und attraktiv für seine Käufer. Und so wird Shopee Premium spezielle „Marken-Spotlights“ anbieten, um bestimmte Marken zusammen mit Artikeln und Videos zu präsentieren. Des Weiteren dürfen die Marken Video-Tutorials und -Bewertungen veröffentlichen. Zum Start können Kunden während des großen Launch-Live-Streams der Premium-Website, das vom 4. bis 10. Oktober stattfinden soll, auf exklusive Markeninhalte und Kooperationen zugreifen.

Garena

Das Segment Digital Entertainment wiederum ähnelt den Aktivitäten von Tencent. Hier produziert und vertreibt Garena Onlinegames und bedient damit einen schnell wachsenden Markt. Inzwischen hat man seine globale Präsenz auf mehr als 130 Märkte ausgedehnt. Garena setzt zum einen auf eigene Produktionen wie das beliebte „Free Fire“, das am häufigsten heruntergeladene Handyspiel der Welt im Jahr 2019. Und mit mehr als 100 Millionen aktiven Nutzern pro Tag war Free Fire das am dritthäufigsten heruntergeladene Spiel im zweiten Quartal 2020. Es erreicht inzwischen mehr als 500 Millionen registrierte Nutzer und wächst mit hohen zweistelligen Zuwachsraten.

Zum anderen setzt Garena auf die Vermarktung bekannter Spiele anderer Anbieter. Hierzu unterhält Garena Partnerschaften mit Activision Blizzard und Tencent, um deren Blockbuster-Spiele, wie Call of Duty: Mobile, in Südostasien zu vertreiben.

Neben dem Online-Gaming ist Garena im Bereich E-Sports aktiv, dessen weltweiter Marktumsatz laut Statista bis 2023 auf fast 1,6 Milliarden Dollar klettern könnte verglichen mit dem heutigen Umsatz von rund einer Milliarde. Garena konzentriert sich hierbei vor allem auf aufstrebende Märkte in Südostasien und Lateinamerika und war letztes Jahr Gastgeber der Free Fire World Series, dem größten globalen E-Sportturnier, bei dem mehr als 130 Millionen Online-Aufrufe erzielt wurden.

SeaMoney

SeaMoney ist ein führender Anbieter digitaler Zahlungs- und Finanzdienstleistungen in Südostasien. Die Angebote umfassen insbesondere Zahlungsabwicklung, mobile Brieftaschendienste, Kredite und digitale Finanzdienstleistungen.

In dieser Sparte macht Sea Ltd. noch vergleichsweise kleine Umsätze. Sie hat aber großes Wachstumspotenzial und schreit geradezu danach, künftig mit Erfolg monetarisiert zu werden. So wie es u.a. MecadoLibre in Lateinamerika mit seinem Dienst MercadoPago vormacht.

Corona bestimmt den Ausblick. Noch…

Die Corona-Pandemie hat auch die Geschäfte von Shopee zusätzlich beflügelt. Corona zwingt die Menschen viel mehr Zeit zuhause zu verbringen und das schürt die Nachfrage nach Online-Angeboten.

In Europa und den USA steht der Winter bevor und es wächst die Angst vor einer zweiten Welle. Die Infektionszahlen steigen bereits wieder deutlich an und erreichen vielerorts kritische Werte. Und machen auch vor Prominenten nicht halt, wie sich an US-Präsident Trump und First Lady Melania zeigt, die soeben ihre eigene Corona-Infektion bekannt geben mussten.

In Asien verläuft die Entwicklung mit einigen Monaten Vorlauf und dort haben die Behörden auf die steigenden Ansteckungszahlen bereits wieder mit lokalen Lockdowns reagiert. Leider das einzige wirksame Mittel, solange es keinen Impfstoff gibt.

Für die Wirtschaft bedeutet diese Entwicklung allerdings auch, dass sich die Abläufe wiederholen bzw. verlängern. Ladenlokale werden schließen, Innenstädte stehen vor großen Herausforderungen. Der Onlinehandel erhält weiterhin Rückenwind und kann seine neue Dominanz noch stärker ausbauen.

Neben dem Onlinehandel hat sich als zweiter glasklarer Gewinner das Online-Gaming herauskristallisiert. Und selbst wenn ein wirksamer Impfstoff oder ein Medikament gefunden ist, dürfte kaum eine Rückkehr zum „alten Normal“ stattfinden, sondern die digitale Umgestaltung der Gesellschaft wird weiter voranschreiten.

Sea als Profiteur

Sea Ltd. bedient diese beiden Trends und hat in der Region Südostasien eine herausragende Stellung; diese konnte das Unternehmen in den letzten Monaten weiter ausbauen. Und es hat einen entscheidenden Standortfaktor: es ist keine chinesische Firma. Daher gerät das Unternehmen nicht ins Fadenkreuz im US-China-Handelskrieg und damit in Gefahr, von Trump mit Verkaufsbeschränkungen belegt zu werden oder dem Verbot seiner Aktivitäten in den USA. Als direkter Konkurrent von Tencent und Alibaba ein durchaus handfester Wettbewerbsvorteil.

Inwieweit Trumps Vorgehen rechtlich zulässig ist, werden wohl erst die Gerichte entscheiden. Sein Vorgehen schürt jedenfalls große Unsicherheit, so dass sich die Partner chinesischer Firmen nach Alternativen umsehen (müssen). Fündig werden sie in Indien und den sogenannten Tigerstaaten Südostasiens. Gerade Indonesien könnte einer der großen Profiteure dieser Entwicklung sein und Sea Ltd. ist als der führende Online-Anbieter ganz vorne mit dabei.

Sea erfüllt die Anforderungen von Frank Sands und überzeugt mit überdurchschnittlichem Wachstum beim operativen Cashflow, seiner Marktführerschaft in seinen bedienten Branchen, einem breiten ökonomischen Burggraben dank starker Wettbewerbsvorteile und einer angemessenen Bewertung im Hinblick auf seine Markt- und Geschäftsaussichten.

Shopee verzeichnet noch Verluste, während Garena Gewinne einfährt. Unterm Strich ist Sea Ltd. daher noch nicht profitabel, aber der operative Cashflow ist bereits seit einiger Zeit positiv. Frank Sands ist inzwischen mit 5,7 Prozent Anteil Seas zweitgrößter Aktionär. 20 Prozent hält Tencent, die sich von Sea ein Gegengewicht gegen das von Alibaba kontrollierte Lazada versprechen.

Die entscheidenden Kenngrößen für erfolgreiche Wachstumsunternehmen stimmen also und daher ist es nicht wirklich erstaunlich, dass sich Sea Ltd. inzwischen zur zweitgrößten Position in Frank Sands Portfolio hocharbeiten konnte. Der Abstand zu Amazon als Nummer eins ist nicht mehr allzu groß, und dank des deutlich stärkeren Wachstums könnte hier demnächst ein Wachwechsel stattfinden - jedenfalls wenn der Aktienkurs dem operativen Wachstum weiterhin so konsequent folgt. We will sea…


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