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Visa: Aufholbedarf zu Mastercard, steigendes Transaktionsvolumen und Positionierung im Bereich Fintech

Artikel, Aktienanalysen Hinnerk Lührs 598 Leser

Liebe Leser,

an den Börsen gibt es Zyklen und Rotationen. Der Begriff Börsenzyklus beschreibt die Phänomene Bullen- und Bärenmarkt. Von einem Bullenmarkt spricht man, wenn der Gesamtmarkt steigt. Von einem Bärenmarkt spricht man, wenn der Gesamtmarkt um mehr als 20 % gefallen ist. Neben dem Bullen- und Bärenmarkt gibt es jedoch noch andere Zyklen. Viele haben mit Sicherheit schon von dem lang- und kurzfristigen Kreditzyklus gehört. Diese Begrifflichkeiten wurden von dem Hedgefonds-Manager Ray Dalio geprägt. Howard Marks, ebenfalls ein Hedgefonds-Manager, hat das Buch „Mastering the Market Cycle“ geschrieben. Marks glaubt nicht an makroökonomische Prognosen. Allerdings glaubt er an Zyklen. Das Buch beschreibt eine Vielzahl von Zyklen, unter anderem den Zyklus im Immobilienmarkt oder den Zyklus hinsichtlich der Risikotoleranz von Anlegern.

Börsenrotationen beschreiben einen anderen Sachverhalt. Wenn das Geld am Markt von einem Sektor in einen anderen Sektor oder von einem Land in ein anderes Land fließt, dann spricht man von einer Börsenrotation. Dieses Phänomen tritt häufig auf. Während der Corona-Krise rotierte das Geld beispielsweise in den Technologiesektor und die Corona-Profiteure. Nachdem diese Aktien stark gestiegen sind, gab es eine Rotation in die Zykliker, wie z.B. Boeing, MTU oder Airbus. Manchmal zeichnen sich solche Rotationen sehr deutlich ab und in anderen Fällen geschieht die Rotation eher schleichend und unauffällig.

In diesem Zusammenhang lässt sich auch der Begriff „Nachzügler“ nennen. Bei Nachzüglern handelt es sich um Aktien oder ganze Sektoren, die erst nach einer gewissen Zeit anspringen. Dies ist zum Beispiel bei defensiveren Aktien am Ende eines Bullenmarktes der Fall. Nach einer Rezession, wenn der wirtschaftliche Aufschwung einsetzt, sind oftmals die Zykliker die ersten Profiteure am Aktienmarkt. Am Ende eines Bullenmarktes tendieren allerdings die defensiveren Werte, wie z.B. Versorger- oder Pharma-Aktien, dazu, die zyklischen Industrien zu outperformen. Auch im Bereich der Einzelaktien gibt es Nachzügler. Ein Nachzügler mit Aufholpotenzial und Thema dieses Artikels ist Visa.

Visa – Der größte Kreditkartenherausgeber der Welt


Visa ist der größte Kreditkartenherausgeber der Welt. Das Unternehmen beschäftigt über 19.000 Mitarbeiter und hat eine Marktkapitalisierung von mehr als 430 Mrd. USD. Der Marktanteil des Unternehmens liegt bei 40 %. Mastercard ist mit einem Marktanteil von 33 % der größte Konkurrent von Visa. Visa und Mastercard bilden ein Oligopol im Segment Kreditkarten. Kleinere Konkurrenten sind Union Pay (Marktanteil: 15 %) und American Express (Marktanteil: 5 %).

Um zu erklären wie Visa Geld verdient, ist es sinnvoll erstmal auszuschließen, wie Visa kein Geld verdient. Visa verdient kein Geld, indem es Geld verleiht und Zinsen kassiert oder Kreditkarten ausgibt. Das Unternehmen verdient auch nicht durch Gebühren, wenn Nutzer der Kreditkarte etwas bezahlen. Wie genau Visa Geld verdient, ist relativ kompliziert. Grob gesagt hält Visa das System aus Banken zusammen und verdient an der Zahlungsabwicklung. Insgesamt bleiben bei inländischen Zahlungen circa 2 % der gesamten Transaktion an Intermediären hängen. Dies bedeutet, dass wenn ein Kunde für 1000 USD etwas kauft, circa 20 USD an die abwickelnden Banken und Visa geht. Bei internationalen Transaktionen kann Visa die Gebühren erhöhen und mehr verdienen.

Im Januar diesen Jahres hat Visa das Fintech-Unternehmen Plaid für 5,3 Mrd. USD übernommen. Die API-Software von Plaid ermöglicht Start-Ups sich mit den Bankkonten der Benutzer zu verbinden. Plaid arbeitet mit Venmo, Robinhood, Coinbase und Gemini zusammen. Visa erhofft sich durch den Deal den adressierbaren Markt zu erweitern und Beziehungen zu Fintech-Unternehmen zu knüpfen. Dies ist positiv zu beurteilen, denn Visa zeigt durch die Akquisition, dass das Unternehmen sich auf disruptive Veränderungen im Finanzsektor einstellt. In den letzten Jahren ist Plaid um durchschnittlich 100 % pro Jahr gewachsen. Seit 2013 hat jeder vierte Amerikaner mit einem Bankkonto die Dienste von Plaid in Anspruch genommen. Die Übernahme von Plaid war ein wichtiger Schritt für Visa. Mastercard hat sich in den vergangenen Jahren im Bereich der Fintechs besser aufgestellt. Die Akquisition von Plaid schafft nun wieder ein Gleichgewicht in diesem Bereich.

Das Transaktionsvolumen steigt wieder - Überraschungspotenzial für das dritte Quartal


Durch den Lockdown ist das Transaktionsvolumen deutlich eingebrochen. Der Umsatz im zweiten Quartal 2020 war 17,2 % niedriger als im Vorjahresquartal. Der Gewinn ist um 23,5 % eingebrochen. Allerdings zeigt sich bereits wieder eine Erholung des Transaktionsvolumens. Die Entwicklung des Transaktionsvolumens in den letzten Wochen wird in der folgenden Grafik dargestellt:

Quelle: Visa Investor Relations

In den vergangenen drei Jahren konnte Visa ein Umsatzwachstum von durchschnittlich 15,07 % ausweisen. Das Gewinnwachstum lag im selben Zeitraum bei durchschnittlich 28,8 %. Derzeit ist Visa mit einem KUV von 19,3 und einem KGV von 40 bewertet. Das Unternehmen konnte die Nettogewinnmarge in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich ausbauen. Im Jahr 2017 betrug die Nettogewinnmarge noch 35,23 %. Im Jahr 2019 lag die Nettogewinnmarge bereits bei 50,70 %. Visa hat in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass es ein robustes Geschäftsmodell und Innovationskraft besitzt.

Ebenfalls positiv zu bewerten ist die Bilanz des Unternehmens. Die Eigenkapitalquote von Visa liegt bei 43 %. Das Unternehmen sitzt auf einem Cash-Berg in Höhe von 13,9 Mrd. USD. Die Gesamtverschuldung beträgt 42,36 Mrd. USD. Der TraderFox Qualitätsscore gibt dem Unternehmen 15/15 Punkten.

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Diese zwei Faktoren könnten zu steigenden Kursen führen


Die Argumentation, wieso die Aktie von Visa in naher Zukunft steigen dürfte, basiert auf zwei Faktoren. Die erste Annahme ist, dass es keinen weiteren Lockdown geben wird. Das Transaktionsvolumen wird kontinuierlich steigen oder zumindest auf das alte Level zurückkehren. Die zweite Annahme ist, dass die bereits seit Jahrzehnten bestehende Korrelation zwischen Visa und Mastercard nicht brechen wird. Mastercard hat sich bereits aus der Seitwärtsphase bewegt. Visa ist in diesem Zusammenhang der Nachzügler. Die Aktie dürfte sich, wenn die Korrelation weiterhin hält, in den nächsten Tagen aus der Price-Range lösen und zu Mastercard aufschließen. Die beiden Charts zeigen den Kursverlauf von Visa und Mastercard (Mastercard als Relativ-Chart in schwarz). Der Wochen-Chart zeigt die langfristige Korrelation beider Aktien. Der Kurzfrist-Chart zeigt, dass Visa kurz vor dem Ausbruch aus der Price-Range steht und Mastercard den Ausbruch bereits geschafft hat.

Verwendete Tools:

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Bildherkunft: Unsplash