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Warum selbst Gott als aktiver Fondsmanager gefeuert würde

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Wesley Grey vom US-Anlageberater Alpha Direct hat vor geraumer Zeit eine Studie veröffentlicht, deren Ergebnisse es in sich haben. Dann das Fazit besagt, dass perfekte Fähigkeiten in die Zukunft zu schauen zwar sehr gute Renditen bringen, auf dem Weg dorthin aber auch oft katastrophale Verluste anfallen können. Mit anderen Worten, selbst ein aktiver Manager, der über hellseherische und Gott-gleiche Gaben verfügt und im Voraus genau weiß, welche Aktien langfristig die Gewinner und die Verlierer sind, würde wahrscheinlich trotzdem oft entlassen werden, wenn er das Geld anderer Leute verwalten würde.

 Auf diese Publikation ist auch die Privatbank M.M. Warburg & Co. gestoßen. Die Studie fand man so interessant und inspirierend, dass sich die Marktexperten von M.M. Warburg selbst mit dieser Thematik befasst und eigene Berechnungen dazu angestellt haben. Das dabei verfolgte Gedankenexperiment liest sich wie folgt: Angenommen, Gott nimmt für einige Jahre den Beruf eines Portfoliomanagers an und ist in seiner gütigen Art bemüht, den Investoren so viel Freude wie möglich zu bereiten. Einzige Bedingung dabei wäre die, dass er über einen Fünfjahreszeitraum gemessen wird und nur am Start sein „göttliches“ Portfolio auflegen darf, danach aber bis zum Ende keine Änderungen vornehmen kann (Ausnahmen wären Aktien, die aufhören zu existieren; hier würde dann eine Umverteilung der verbliebenen Mittel auf die anderen Positionen erfolgen).

Für Gott sollte es leicht sein, sehr gute Portfolios zu konstruieren, da er ja weiß, welche Aktien am Ende der Betrachtungsperiode die Benchmark geschlagen haben werden. Doch würde Gott als Portfoliomanager auch auf dem Weg zum Ziel schon als Star-Portfoliomanager gehandelt werden? In der Publikation von M.M. Warburg wird die These aufgestellt, dass sich auch „göttliche“ Portfolios zeitweise so schlecht entwickeln, dass die Ungeduld der Investoren unerträglich groß werden könnte, obwohl sie (mittelfristig betrachtet) in ein scheinbar perfektes Portfolio investiert haben. M.M. Warburg-Investmentchef Christian Jasperneite argumentiert in der Studie mit Berechnungen und Simulationen, die er für den US-Markt durchgeführt hat.

Nur knapp jedes fünfte Portfolio schlägt den Vergleichsmaßstab

Wie Jasperneite erklärt, nahm man die erstaunlichen Ergebnisse der erwähnten US-Studie zum Anlass, ähnliche Berechnungen für den europäischen Aktienmarkt durchzuführen und zu überprüfen, ob die auf den ersten Blick verblüffenden Ergebnisse dieser Studie belastbar und nachvollziehbar sind. Zu diesem Zweck hat M.M. Warburg in einem ersten Schritt die Aktien identifiziert, die vor 5 Jahren im STOXX 600 enthalten waren und damit den breiten europäischen Aktienmarkt darstellten.

Per Zufallsgenerator hat man dann 5000 Portfolios generiert, die jeweils 60 bis 100 Aktien aus diesem Investmentuniversum enthielten. Alle so erzeugten Portfolios hätten exakt genau so in der Realität existieren können. Für jedes dieser Portfolios wurde dann in einem zweiten Schritt die Wertentwicklung relativ zur Benchmark (dem STOXX 600) berechnet. Von den 5000 erzeugten Portfolios konnten „nur“ knapp 1000 Portfolios die Benchmark schlagen – ein geringer Wert, der auf den ersten Blick überraschen mag. Der Grund für dieses vergleichsweise schwache Ergebnis liege aber nicht nur an der Effizienz eines marktkapitalisierungsgewichteten Indexes, sondern vor allem daran, dass das Investmentuniversum konstant ist, während im Index immer wieder neue, erfolgreiche Unternehmen aufgenommen werden und weniger erfolgreiche Unternehmen den Index verlassen müssen.

Allerdings interessierten M.M. Warburg an dieser Stelle weniger die etwa 4000 Portfolios mit einer Underperformance, sondern die etwa 1000 Portfolios mit einer Outperformance gegenüber dem Index. Denn von diesen Portfolios wisse man heute, dass sie die Benchmark geschlagen haben. Gott als Portfoliomanager hätte dies schon vor fünf Jahren gewusst und derartige „göttliche“ Portfolios im Wissen um ihre Outperformance konstruieren können.

Doch wie haben sich diese Portfolios im Zeitverlauf geschlagen? Waren sie jederzeit als Gewinnerportfolios zu identifizieren? Die Frage ist mit einem klaren Nein zu beantworten und unterstützt damit die These der eingangs erwähnten US-Studie. Als Beispiel seien 9 dieser etwa 1000 Portfolios aufgeführt, die über den Zeitraum von fünf Jahren die Benchmark um jeweils fünf Prozent geschlagen haben.

gottaug1901Quelle: M.M. Warburg

Temporäre Rückschläge treffen auch Gewinnerportfolios

Keines der Portfolios zeichnet sich laut Jasperneite dadurch aus, dass es linear gegenüber der Benchmark ansteigt – vielmehr sind auch bei den „Gewinnerportfolios“ immer und überall temporäre Rückschläge gegenüber der Benchmark zu beobachten. Nimmt man als Beispiel das Portfolio 4 in der obigen Abbildung. Wer als Investor im Sommer 2016 in dieses Portfolio eingestiegen wäre, hätte vermutlich schon im Herbst des folgenden Jahres mit einer Kündigung des Mandates gedroht, da sich das Portfolio relativ zur Benchmark in dem Zeitraum über sieben Prozent schlechter entwickelt hat – obwohl es sich um eine langfristig gute und erfolgreiche Portfoliostruktur handelt!

Dieser Sachverhalt lässt sich noch systematischer aufarbeiten, indem für jedes Portfolio der sog. Unterwasserchart ausgewertet wird. Mit dem Unterwasserchart wird die Frage beantwortet, wie stark der Wert des Portfolios im Zeitverlauf unter einen zuvor erreichten Höchststand fällt. Die Fläche des Unterwassercharts ist in gewisser Weise ein Maß für das „Leid“, das ein Investor temporär ertragen muss. Da es in der M. M. Warburg-Analyse der Portfolios um die relative Wertentwicklung zur Benchmark geht, hat man für alle die Benchmark nach 5 Jahren outperformenden Portfolios den Unterwasserchart für die relative Wertentwicklung berechnet. Da es wie es erläuternd heißt wenig Sinn ergibt, für über 1000 Portfolios den Unterwasserchart darzustellen, hat man sich in der folgenden Abbildung darauf beschränkt, die Entwicklung der verschiedenen Quantile auszuwerten.

gottaug1902Quelle: M.M. Warburg

Selbst bestmögliche Portfolios sind nicht perfekt

Im Ergebnis zeigt sich laut Jasperneite, dass selbst die „göttlichen“, eigentlich perfekten Portfolios in ihrer relativen Wertentwicklung im Schnitt einige Prozentpunkte unter ihre vorherigen Höchststände fallen. Im Extremfall sei es noch viel schlimmer: Selbst (relative) Rückschläge von 8 % und mehr seien vorstellbar, obwohl das Portfolio am Ende immer noch die Benchmark schlagen wird. Was lasse sich daraus lernen? Die wichtigste Erkenntnis ist Sicht von M.M. Warburg ist die, dass selbst bestmögliche Portfolios weit davon entfernt sind, perfekt zu sein. Es existiert in der harten Realität einfach keine Mischung aus Aktien, die zu jedem Zeitpunkt relativ zur Benchmark vorne liegt.

Eine weitere wichtige Erkenntnis bestehe darin, dass eine Outperformance immer mit einem gewissen Maß an Tracking Error einhergehe. Das sei der Preis, den man dafür zahlen muss, die Benchmark überhaupt schlagen zu können. Und schließlich gebe es die Erkenntnis, dass man Gott nicht dazu raten kann, ein Angebot als Portfoliomanager anzunehmen. Denn selbst himmlische Fähigkeiten führten vielleicht manchmal zu temporärer Undankbarkeit bei Kunden.