aktien Magazin

Wie Missverständnisse und Emotionen die deutsche Bevölkerung von der Aktienanlage abhalten

Kommentare Michael Seibold 1.112 Leser

Knapp 10 Prozent des gesamten Geldvermögens investieren die Deutschen laut Bundesbank nur in Aktien. Viele Missverständnisse, ein schlechtes Bauchgefühl, aber auch ein Maß an Gleichgültigkeit bestimmen das Verhältnis der Deutschen zu Aktien. Nach wie vor parkt der deutsche Sparer sein Geld lieber auf Tagesgeldkonten oder schlecht verzinsten Sparkonten und verzichtet damit auf enorme Ertragschancen. Mit Blick auf die Rente ist der private Vermögensaufbau seit der Niedrigzinspolitik wichtiger denn je geworden. Das gesetzliche Umlageverfahren funktioniert aufgrund der demografischen Entwicklung nicht mehr. Rentenbeiträge steigen, die Rentenbezüge im Vergleich zum Einkommen sinken prozentual.

Wer seinen Lebensstandard im Alter halten will, darf und kann sich nicht mehr auf den Staat verlassen. Er sollte Aktien als Bestandteil des Vermögensaufbaus und der Altersvorsorge nutzen. Es geht nicht um Zockerei, sondern um an der Teilhabe der langfristigen Wertschöpfung erfolgreicher Unternehmen. Bei Aktienbeteiligungen ist man Miteigentümer, der den Unternehmen Kapital für Investitionen bereitstellt. Dies machen große Institutionen, das können wir aber auch im Kleinen tun. Das Kapital trägt unter anderem auch zur Sicherung und zum Aufbau von Arbeitsplätzen bei. Wir wollen doch alle, dass die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen erhalten bleibt. Das sollte doch im gesamtgesellschaftlichen Interesse sein, oder? Obwohl die Vorteile von Aktien für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft, unbestreitbar sind, zeigen leider viele Untersuchungen, dass die deutsche Bevölkerung kaum in Wertpapiere, geschweige in Aktien sein Geld anlegt. Warum spielt die Aktie in Deutschland im Alltag keine Rolle? Warum meiden viele diese Investitionsmöglichkeit? Welche Akzente müssten gesellschaftspolitisch gesetzt werden, um die Situation in unserem Land zu verbessern?

Auskunft darüber gibt eine Studie, die das deutsche Aktieninstitut gemeinsam mit der Börse Stuttgart durchgeführt hat.

Methodik der Studie

Die Basis der Studie bildete eine repräsentative telefonische Umfrage unter ca. 2000 befragten Personen im Alter ab 18 Jahren. Unter den Befragten waren 14 Prozent Aktionäre (knapp 300 Personen) und 86 Prozent (ca. 1700 Personen Nicht-Aktienbesitzer). In einem strukturierten Telefoninterview wurde gebeten, einen geschlossenen Fragebogen mit vorgegebenen Antwortoptionen zu beatworten. Sie hatten zudem auch die Möglichkeit, keine Angaben zu machen oder die Frage nicht zu beantworten, falls sie sich keine Einschätzung zutrauten. Die Antwortoption „keine Angabe/weiß nicht“ wurde bei der Zusammenstellung der Ergebnisse in der Regel nicht herausgerechnet.

Ziel der Studie

Die Zahl der Aktionäre hat sich trotz langer Niedrigzinsphase und zwischenzeitlichen Rekordständen an den Börsen kaum erhöht. In dieser Studie geht es hauptsächlich um die Einstellung der Menschen zur Aktienanlage. Sie gibt Auskunft darüber, wie die Aktie einen größeren Stellenwert bei Vermögensbildung, Altersvorsorge und Unternehmensfinanzierung erlangen und so ihre positive gesamtgesellschaftliche Wirkung besser entfalten kann. Im Fokus der Studie stehen vor allem diejenigen, die aktuell noch keine Aktienbeteiligungen haben. Irrtümer und Emotionen halten leider viele von der Aktienanlage ab – alle Bildungs- und Einkommensschichten eingeschlossen. Hinzu kommt, dass sich viele Menschen aus eigenem Antrieb nur ungern mit Gelddingen auseinandersetzen. Nur der persönliche Kontakt mit der Aktienanlage im Sinne als erworbenes Erfahrungswissen bricht diese Einstellungen auf.

Empirische Erkenntnisse aus der Studie

90 Prozent der Personen, die aktuell keine Aktien besitzen, haben in den letzten Jahren die Aktienanlage nicht aktiv in Betracht gezogen. Auch niedrige Zinsen bieten dafür keine ausreichende Motivation. Nur 14 Prozent der Nicht-Aktienbesitzer geben an, dass sich ihr Interesse an Aktien/Aktienfonds erhöht hat.

interesse

Quelle: Deutsches Aktieninstitut (DAI)

Immer würden rund 39 Prozent der Nicht-Aktienbesitzer, wenn ihnen 10.000 Euro zur Verfügung stünde, teilweise in Aktien investieren; 57 Prozent hingegen nicht

fiktive-anlage

Quelle: Deutsches Aktieninstitut (DAI)

Über die Wirksamkeit von Aufklärungskampagnen der letzten Jahre lässt sich streiten. Ein Großteil der Nicht-Aktienbesitzer scheint seine irrtümlichen Vorstellungen über Aktien nicht korrigieren zu wollen. Nur wenige (29 Prozent) wissen um den Renditevorteil der langfristigen Aktienanlage gegenüber anderen Assetklassen. Lediglich 19 Prozent ist überhaupt klar, dass eine Aktienanlage mit jeder Geldsumme sinnvoll ist. Über die Hälfte der Nicht-Aktienbesitzer (61 Prozent) geht zu Unrecht davon aus, dass Aktien unsicher und riskant sind.

einschatzungen-zur-aktienanlage

Quelle: Deutsches Aktieninstitut (DAI)

Erfahrung mit Aktien verändert die Einstellung signifikant. Fast dreiviertel der Aktionäre (71 Prozent) weiß um die langfristig positive Rendite von Aktien. Auch in dieser Gruppe erkennen die Mehrheit, dass die Aktienanlage auch bei Kleinstbeträgen bereits Sinn macht. Zudem ist auch die Einschätzung bezüglich des Risikos unter den Aktionären realistischer.

eignung-aktienanlage

Quelle: Deutsches Aktieninstitut (DAI)

Aufgrund zahlreicher Missverständnisse überrascht es nicht, dass Nicht-Aktienbesitzer nur knapp zu 34 Prozent Aktien/Aktienfonds als geeignete Instrumente zur Vermögensbildung und nur zu einem Fünftel als geeignete Instrumente der Altersvorsorge ansehen. Wiederum bei den Aktienbesitzern liegen die Werte signifikant höher bei 75 beziehungsweise 55 Prozent.

missverstandnisse

Quelle: Deutsches Aktieninstitut (DAI)

Gründe für den Verzicht von Nicht-Aktienbesitzer auf die Aktienanlage

In aller erster Linie irrt die Vorstellung, ein Finanzprofi sein zu müssen, um in Aktien investieren zu können. Knapp zwei Drittel der Nicht-Aktionäre nennen mangelndes Wissen als Hauptgrund. Außerdem erachten ebenso viele Aktien für sich als zu riskant.

61 Prozent der Befragten gaben an, derzeit kein Geld für eine Aktienanlage zu haben. An der objektiven Sparfähigkeit kann es nicht liegen, da diese Aussage auch bei Beziehern von überdurchschnittlichem Einkommen gegeben wurde. Ich kann das nur darauf zurückführen, dass mit steigendem Einkommen auch der Lebensstandard/Konsum steigt und oft bei höheren Einkommensgruppen weniger übrigbleibt. Knapp die Hälfte der Befragten hält die Aktienanlage für umständlich. Häufig ist das Engagement am Aktienmarkt eine Frage des Wollens und Willens, sollte aber nicht daran scheitern, dass es technisch schwierig umzusetzen wäre.

Externe Anreize könnten helfen, sind aber natürlich kein Selbstläufer. Jeder Dritte immerhin gab an, dass eine bessere staatliche Förderung sein Interesse an der Aktienanlage wecken könnte.

Fazit

Der Stellenwert der Aktienanlage in Deutschland muss dringend verbessert werden. Gründe dafür gibt es viele: Stärkung des Vermögensaufbaus in breiten Bevölkerungsschichten, bessere Absicherung im Alter oder etwa die Stärkung der Unternehmensfinanzierung. Den größten Erfolg verspricht die stärkere Berücksichtigung von Aktien in der Altersvorsorge. In Ländern wie Schweden, Niederlande oder Norwegen, die eine deutlich höhere Aktienquote in der Altersvorsorge haben als Deutschland, zeigt sich dieser Umstand besonders. Unsere Politik ist deshalb gefordert, sich stärker mit dem Thema Aktien zu beschäftigen. Dies beginnt beim Abbau der steuerlichen Diskriminierung der Aktienanlage, geht über die Stärkung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung bis hin zur Verbesserung der ökonomischen Allgemeinbildung in der Schule. Unsere gesetzliche Rente wird für viele im Alter nicht ausreichen, der Renditevorteil von Aktien kommt vor allem langfristig zum Tragen. Deshalb ist es unvermeidbar, dass Aktien in der Altersvorsorge einen stärkeren Anteil als bisher haben müssen. Warum? Weil wir damit als Gesellschaft uns langfristig einen Wohlstand aufbauen können. Was passiert, wenn wir es nicht umsetzen? Dann beteiligen sich immer mehr Investoren aus dem Ausland und die Erträge wandern zum Großteil aus unserem Land.

Jeder von uns sollte sich die Frage stellen: Was wäre so schlimm daran, an Unternehmen beteiligt zu sein und vom Wohlstand im eigenen Land sich ein Stück Kuchen abzuschneiden? Wenn man keine Einwände findet – was spricht dann dagegen, sich seine ersten Aktien ins Depot zu holen.

Liebe Anleger,

ich wünsche Ihnen noch viele weiteren erfolgreichen Investments.

Bis zur nächsten spannenden Story,

Michael Seibold


Bildherkunft: https://unsplash.com/photos/vwaTtIhCjVg