aktien Magazin

Zoom, BioNTech & Co.: 11 Börsen-Highflyern fehlt es laut Morningstar bei hohen Unsicherheiten an wirtschaftlichen Schutzgräben

Artikel, Kommentare aktien Magazin 6.355 Leser

Einigen der in diesem Jahr besten Aktien mit einem US-Listing fehlt es laut Morningstar an Wettbewerbsvorteilen. Zudem sind bei diesen Titeln nach Einschätzung des US-Finanzdienstleisters die Geschäftsrisiken vergleichsweise hoch. Wir verraten, welche 11 Aktien davon betroffen sind und was genau hinter Economic-Moats sowie dem Fair-Value-Uncertainty-Rating von Morningstar steckt.

Unternehmen, die es geschafft haben, einen ökonomischen Schutzgraben um sich herum aufzubauen, haben beim Kampf mit der Konkurrenz und beim Versuch, dauerhaft überdurchschnittliche Renditen zu erwirtschaften, einen Vorteil. Das ist auch eine der Grundübersetzung von Warren Buffett, der für viele Marktteilnehmer der beste lebende Investor ist.

Auch wir bei TraderFox legen Wert auf die so genannten Moats. So spielen diese etwa als Auswahlkriterien bei einigen unserer regelbasierten Depotkonzepte eine Rolle. Als Spezialist für Moats gilt auch der US-Finanzdienstleister Morningstar. Wie der dortige Analyst Ali Masarwah erklärt, sind Wettbewerbsvorteile von Unternehmen und die mit ihrem Geschäftsmodell verbundenen Unsicherheiten 2 wichtige Bestandteile des hauseigenen Aktien-Ratings.

Der Economic Moat kann dabei als wirtschaftlicher Wettbewerbsvorsprung bezeichnet werden, wie Masarwah weiter ausführt. Es handele sich um ein strukturelles Merkmal, das es einem Unternehmen erlaube, über einen längeren Zeitraum hinweg Gewinnüberschüsse zu erzielen. Morningstar definiert wirtschaftlichen Überschussgewinn als eine Rendite auf das investierte Kapital (ROIC), welche die geschätzten gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten des Unternehmens (WACC) übersteigt.

Die Gewinne von Unternehmen ohne Wettbewerbsvorsprung würden leichter durch die Konkurrenz unter Druck kommen, lautet die Grundüberzeugen. Morningstar hat dabei 5 Moat-Quellen identifiziert: immaterielle Vermögenswerte, Wechselkosten, Netzwerkeffekte, Kostenvorteile und größenbedingte Effizienz.

Unternehmen mit einem Narrow Moat sind solche, von denen Morningstar annimmt, dass sie mindestens über die nächsten 10 Jahre hinweg normalisierte Überschussrenditen erzielen werden. Unternehmen mit einem Wide Moat sind Firmen, bei denen man sehr zuversichtlich ist, dass sie über 10 Jahre hinweg Überschussrenditen erzielen werden. Zudem hält man es bei ihnen für wahrscheinlich, dass Überschussrenditen über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren beibehalten werden.

Moat Ratings und Moat Trends


Je länger ein Unternehmen wirtschaftliche Gewinne erzielt, desto höher ist auch sein intrinsischer Wert, so Masarwah. Morningstar geht davon aus, dass sich die normalisierten Renditen von Unternehmen mit niedriger Qualität, die keinen Wettbewerbsvorteil aufweisen, schneller an die jeweiligen Kapitalkosten annähern werden als die von Firmen mit Wettbewerbsvorsprung.

Um die Tendenz bei den zugrundeliegenden Wettbewerbsvorteilen beurteilen zu können, bewerten die Morningstar-Aktienanalysten kontinuierlich den Moat Trend, das heißt, den dem Wettbewerbsvorteil zugrunde liegenden Trend. Ein Unternehmen weist einen positiven Moat-Trend auf, wenn die Analysten der Ansicht sind, dass sich die Quellen seines Wettbewerbsvorteils verstärken. Der US-Finanzdienstleister schätzt den Trend als stabil ein, wenn man nicht damit rechnet, dass sich die Wettbewerbsvorteile während der nächsten Jahre ändern werden. Ein negatives Moat-Trend-Rating gibt es dagegen, wenn man Anzeichen auf eine Abschwächung der Wettbewerbslage erkennt.

Alle Moat Ratings und Moat Trend Ratings werden regelmäßig geprüft. Alle Veränderungen müssen vom Morningstar Economic Moat Committee genehmigt werden, das sich aus unserem Aktien-Research-Team zusammensetzt.

Grad der Unsicherheit entscheidet über Sicherheitsmarge


Zum Fair-Value-Uncertainty-Rating führt Masarwah aus, dass dieses die Einschätzung zum Geschäftsrisiko eines Unternehmens ausdrückt. Betrachtet werden für diese Einschätzung zum einen die Planbarkeit bzw. Vorhersehbarkeit der Umsätze. Darüber hinaus werden Leverage-Faktoren taxiert. Als da wären der operative Leverage, bei dem das Verhältnis zwischen den variablen Kosten und Fixkosten im Mittelpunkt steht. Hier gilt: Je geringer die variablen Kosten, desto höher ist die operative Hebelwirkung. Der finanzielle Leverage wiederum misst laut Masarwah den Anteil der Schulden an der Kapitalstruktur des Unternehmens. Je höher der „Hebel“, desto höher ist das finanzielle Risiko. Schlussendlich wird das Exposure eines Unternehmens zu externen Risiken und Ereignissen (Events) eingeschätzt.

Diese Einschätzungen haben Folgen für die Sicherheitsmarge, welche die Morningstar-Analysten ansetzen, bevor das Sterne-Rating für Aktien zustande kommt. Es gibt 5 Unsicherheitsstufen: niedrig, mittel, hoch, sehr hoch oder extrem. Je größer der Grad der Unsicherheit, desto größer ist der Abschlag auf den fairen Wert, der erforderlich ist, bevor eine Aktie ein 5 Sterne Rating erhält. Andersherum formuliert: Je größer der Grad der Unsicherheit ist, desto größer ist der Aufschlag auf den fairen Wert, bevor eine Aktie ein 1-Sterne-Rating bekommt.

No Moats, hohe Unsicherheit, keine Zukunft?


Zum Morningstar Sterne Rating für Aktien führt Masarwah in einem aktuellen Beitrag aus, dass dieses das Ergebnis einer qualitativen Analyse von Unternehmen ist. Es basiert auf einer Discounted-Cashflow-Analyse und hat das Ziel Aktien zu identifizieren, die mit einem Abschlag / Aufschlag auf ihren intrinsischen Wert an der Börse gehandelt werden.

2 wesentliche Bestandteile der Aktien-Analyse von Morningstar sind dabei wie bereits erklärt das Moat-Rating und das Fair-Value-Uncertainty-Rating. Um mit Hilfe von Beispielen zu erklären, um was es dabei genau geht, hat man bei Morningstar alle rund 1.800 Aktien gescreent, welche die eigenen Aktien-Analysten qualitativ bewerten. Als Ergebnis ermittelt hat man dabei die vermeintlich schlimmsten Aktien, für die sich ein Anleger entscheiden kann: Unternehmen mit einem 1-Sterne-Rating, die ein No-Moat-Rating aufweisen und das schlechteste Fair-Value-Uncertainty-Rating haben. Im Netz sind folgende 11 Unternehmen hängen geblieben:

Die Aktien mit No-Moat Ratings und Uncertainty Ratings von „Sehr hoch“


Die Tatsache, dass die Tabelle einige bekannte und hoch geschätzte Unternehmen enthält, dürfte laut Masarwah einige Anleger überraschen. Vertreten sind darin jedenfalls Unternehmen wie Zoom, Spotify, Snap und BioNTech. Diese 4 Unternehmen hätten schließlich in diesem Jahr die Lichter ausgeschossen, und wer sie im Depot gehabt habe, könne sich sehr glücklich schätzen. Aber trotz einer sehr starken Performance in diesem Jahr haben Gesellschaften wie der Video-Konferenz-Anbieter Zoom oder der Coronavirus-Impfstoff-Hersteller BioNTech bei Morningstar nur 1-Sterne-Ratings inne.

Wie kann das sein, angesichts der extrem guten Performance, fragt Masarwah rhetorisch, wobei er auch noch daran erinnert, dass mit dem Elektrobauer Tesla nur deshalb ein weiterer Höhenflieger nur deshalb nicht in der Grusel-Liste vertreten ist, weil er über ein Narrow-Moat-Rating verfügt.

Als Antwort auf die Frage verweist Masarwah auf den Umstand, das das Morningstar-Sterne-Rating für Aktien nur Auskunft über die künftige Attraktivität einer Aktie gibt. Wie diese in der Vergangenheit performt hat, sei hier nur insofern relevant, als der Kurs einer Aktie bei den Ratings ins Verhältnis zum intrinsischen Wert des Unternehmens gesetzt werde. Ein 1-Sterne-Rating deutet darauf hin, dass laut Morningstar eine Aktie mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit über einen mehrjährigen Horizont eine unattraktive risikobereinigte Rendite erzielen wird.

Dass die in der Tabelle vertretenen Unternehmen keine „Moats“ und sehr hohe Unsicherheits-Ratings haben, spiele eine entscheidende Rolle für das Zustandekommen des Sterne-Ratings. Doch eines bedeuten diese Ratings sicher nicht, so Masarwah: Dass es sich hier um „schlechte“ Unternehmen handelt, im Sinne von nicht tragfähigen Geschäftsmodellen. Das wiederum erklärt er anhand der BioNTech-Aktien. Als aufstrebendes Biotechnologie-Unternehmen ohne kommerzialisierte Medikamente besitze BioNTech trotz eines starken Portfolios an immateriellen Vermögenswerten in seiner Pipeline zwar keine nachhaltigen Wettbewerbsvorteile, aber diese befänden sich in einem frühen Entwicklungsstadium. Daher, sie die Zulassung höchst ungewiss.

Insgesamt glaubt man, dass das Unternehmen mehrere vielversprechende Kandidaten hat, die eines Tages einen Moat unterstützen könnten, aber sie sind zu früh im Entwicklungsprozess, um ein Narrow Moat Rating zu rechtfertigen. Gegenwärtig gibt man den klinischen Arzneimittelkandidaten des Unternehmens Zulassungswahrscheinlichkeiten zwischen 20 % und 50 %, wobei diese Therapien erst 2023 zugelassen werden. Das gelte nicht für den Covid19-Impfstoff, der teilweise bereits eingesetzt wird.

Die Analysten gefalle jedoch, dass BioNTech sich auf Indikationen und Wirkstoffklassen konzentriert, die einen Moat rechtfertigen, aber man müsse erst die behördliche Zulassung sehen, bevor man ein positives Moat-Rating in Betracht ziehe. Allerdings deute der positive Moat-Trend darauf hin, dass dies bei einem künftigen Update durchaus anstehen könnte. Damit hebe sich BioNTech von den anderen Unternehmen in der Tabelle ab, welche die Moat-Trends „Stable“ oder sogar „Negative“ aufweisen.

Einstiegskurse sind Lichtjahre von den heutigen Niveaus entfernt


Das Beispiel der BioNTech-Einschätzung zeigt laut Masarwah, dass Unternehmen mit einem 1-Sterne-Rating keine schlechten Unternehmen sein müssen. Oft sei sogar das Gegenteil der Fall. Weil sie gute Eigenschaften hätten, seien die Aktien „hochgekauft“ worden. Die aktuellen Bewertungen deuteten aber darauf hin, dass die Kurse inzwischen Höhen erreicht hätten, die ein Engagement auf dem aktuellen Niveau nicht nahelegen.

Damit bei den herausgefilterten Aktien ein Einstieg attraktiv erscheine, müssten die Aktien von Zoom von derzeit 383,88 USD auf einen Kurs von 88 USD fallen. Bei 78,00 USD wäre bei Spotify ein attraktiver Einstiegspunkt erreicht (letzter Schlusskurs: 330,79 USD), Snap - letzter Schlusskurs: 51,74 USD - wäre bei 10,50 USD ein Kauf wert, und für BioNTech ADRs (Nasdaq-Schlusskurs: 100,06) taxieren die Analysten 32,50 USD als attraktiven Einstiegskurs.

Dass die Einstiegskurse meilenweit bzw. Lichtjahre von den heutigen Niveaus entfernt seien, zeige, worum es beim Investieren gehe: um die Zukunft. Die Börsenstars von heute seien oft derart ambitioniert bewertet, dass kaum realistische Chancen bestünden, dass die Vergangenheits-Renditen noch einmal erzielt werden könnten. Das möge man bedauern, aber man sollte eben nicht dann investieren, wenn die Hype um ein Unternehmen am größten sei. Und außerdem, so Masarwah, gebe es da draußen noch unendlich viele Unternehmen, deren Stories noch nicht entdeckt worden oder die attraktiv bewertet seien: Dort winken laut Morningstar attraktivere Renditen.


Bildherkunft: Andrey Burmakin - stock.adobe.com