14.08. 13:16

Deutsche Wirtschaft trotzt Handelskonflikten - vorerst

- von Rene Wagner

Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft steckt die Handelsstreitigkeiten dank kauffreudiger Verbraucher und einem anhaltenden Bauboom bislang gut weg.

Das Bruttoinlandsprodukt zog im zweiten Quartal um 0,5 Prozent an, nachdem es zu Jahresbeginn noch 0,4 Prozent waren. Damit schlug sich Deutschland besser als die Euro-Zone. "Die deutsche Konjunktur zeigt sich trotz außenwirtschaftlicher Unwägbarkeiten robust", betonte das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag. Experten rechnen in der zweiten Jahreshälfte mit ähnlichen Zuwächsen. Sie warnen aber auch vor Risiken - von Handelskriegen über unklare Modalitäten für den 2019 geplanten EU-Austritt Großbritanniens oder neue Krisen wie den Lira-Verfall in der Türkei.

Solche Faktoren haben bereits im Frühjahr ein stärkeres Wachstum verhindert, besonders die von US-Präsident Donald Trump verhängten Schutzzölle - etwa auf Stahl und Aluminium aus der EU. Zwar legten die deutschen Exporte von April bis Juni zu, allerdings nicht so stark wie die Importe. Dadurch bremste der Außenhandel unter dem Strich den Aufschwung. "Die weltweit erhöhte Unsicherheit beeinträchtigt gegenwärtig die Nachfrage nach deutschen Exporten sowie die heimische Investitionsneigung", so das Wirtschaftsministerium.

Grund ist vor allem der Handelsstreit zwischen den beiden weltgrößten Volkswirtschaften USA und China, die sich gegenseitig mit höheren Zöllen in Milliardenhöhe überziehen. "Die guten Zahlen von heute sind nicht automatisch die von morgen", warnte deshalb der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann. "Die Entwicklung kann abrupt abreißen, wenn Streitigkeiten und Handelskonflikte eskalieren."

Dass Europas größte Volkswirtschaft einen Zahn zugelegt hat, liegt besonders am Konsum. "Dieser profitiert von einem guten Arbeitsmarkt", sagte der Deutschland-Chefvolkswirt der Großbank UniCredit, Andreas Rees. Im zweiten Quartal wurden 44,8 Millionen Erwerbstätige gezählt, fast 600.000 mehr als ein Jahr zuvor. Die Konsumlaune wird zusätzlich beflügelt von steigenden Löhnen: Das Düsseldorfer WSI-Institut sagt für 2018 ein Plus bei den Tariflöhnen von 3,1 Prozent voraus - den stärksten Zuwachs seit 2014. "Gerade in unruhigen Zeiten wie diesen, in denen Handelskonflikte, Sanktionen und Populisten eine Gefahr für die außenwirtschaftliche Entwicklung darstellen, ist dies beruhigend", sagte DekaBank-Konjunkturexperte Andreas Scheuerle mit Blick auf die guten Konsumaussichten.

"DAS KANN SICH RÄCHEN"

Der Staat gab im Frühjahr ebenfalls mehr Geld aus, nachdem zuvor viele öffentliche Gelder wegen der langwierigen Regierungsbildung nicht freigegeben werden konnten. Auch das kurbelte die Konjunktur an. Die Investitionen legten gleichfalls zu - nicht zuletzt wegen des anhaltenden Baubooms, der von niedrigen Zinsen und der hohen Nachfrage nach Wohnungen befeuert wird.

"Auch wenn die Auswirkungen der Handelskonflikte und die Sanktionen in den deutschen Exportzahlen noch nicht zu spüren sind, belasten diese schon jetzt die Konjunktur", warnte Konjunkturexperte Scheuerle vor zu viel Euphorie. Denn Unternehmen zögerten trotz hoher Kapazitätsauslastung mit Investitionsentscheidungen. "Auf lange Sicht kann sich das rächen." Dennoch halten Experten in der zweiten Jahreshälfte ein robustes Wachstum für möglich. "Ein großes Risiko bleibt: US-Präsident Donald Trump", so UniCredit-Analyst Rees. "Hier könnte eine Eskalation im Handelskonflikt zwischen USA und China das Wachstum dämpfen. Die globalen Wertschöpfungsketten könnten unterbrochen werden."

Börsenprofis blicken unterdessen optimistischer auf die deutsche Konjunktur. Das Barometer für ihre Erwartungen im kommenden halben Jahr stieg im August um 11,0 Zähler auf minus 13,7 Punkte, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu seiner Umfrage unter Analysten und Anlegern mitteilte. "Die kürzlich zustande gekommene Einigung im Handelsstreit zwischen der EU und den Vereinigten Staaten hat zu einem signifikanten Anstieg der Konjunkturerwartungen für Deutschland und in etwas geringerem Maße auch für das Euro-Gebiet geführt", sagte ZEW-Präsident Achim Wambach. Trump hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zugesagt, vorerst auf Sonderzölle auf europäische Autos zu verzichten. Stattdessen soll es Verhandlungen zum Abbau von Handelsbarrieren geben. Autos gehören zu den größten deutschen Exportschlagern. Höhere Zölle würden deshalb die gesamte Wirtschaft treffen.

Die Wirtschaft in der Euro-Zone hielt ihr Wachstumstempo im zweiten Quartal. Hier kletterte das Bruttoinlandsprodukt erneut um 0,4 Prozent. Zum Vergleich: Die USA schafften mit 1,0 Prozent ein mehr als doppelt so starkes Plus. Neben Deutschland zählten Spanien (0,6 Prozent) und die Niederlande (0,7) zu den Zugpferden. Frankreich und Italien schafften dagegen jeweils nur ein Plus von 0,2 Prozent.