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22.08. 12:11

ROUNDUP/Chefwechsel bei Fresenius: Sen soll Konzern führen - Aktienkurs legt zu


BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Nach turbulenten Zeiten soll ein neuer Konzernchef Fresenius aus der Dauerkrise führen. Der Aufsichtsrat bestellte den amtierenden Lenker der Fresenius-Tochter Kabi zum 1. Oktober als neuen Chef des Medizin- und Krankenhauskonzerns. Michael Sen (53) soll zudem kommissarisch Fresenius Kabi weiter führen, bis seine Nachfolge dort geregelt ist. Bei Anlegern kam das sehr gut an. Die Fresenius-Aktie stieg am Montag im frühen Handel in einem schwächeren Markt um mehr als sechs Prozent und war damit Dax-Spitzenreiter. Aktien von Fresenius Medical Care (FMC) legten um 2,4 Prozent zu.

Für Analyst Tom Jones von der Privatbank Berenberg kommt der Chefwechsel bei Fresenius nicht überraschend. Es sei bereits bei Antritt von Sen im April 2021 als Chef von Kabi spekuliert worden, dass dieser nicht zu Fresenius gekommen wäre, wenn es nicht einen Fahrplan für den Spitzenjob gegeben hätte. Der Schritt erfolge vielleicht etwas früher als erwartet. Ein Händler schließt sich dieser Ansicht an. Die jüngste Kursschwäche der Aktie habe den Auslöser für einen früheren Wechsel gegeben. Da viele der aktuellen Herausforderungen mit dem scheidenden Konzernchef Stephan Sturm (59) in Verbindung gebracht würden, dürfte es eine positive Reaktion des Aktienkurses geben.

Sen ist seit April 2021 im Vorstand von Fresenius für die auf Flüssigmedizin und biopharmazeutisch hergestellte Nachahmermedikamente spezialisierte Tochter Fresenius Kabi verantwortlich. Zuvor war der studierte Betriebswirt Mitglied des Vorstands von Siemens . Zwischen 2015 und 2017 war er Finanzchef beim Energiekonzern Eon . Schon sein Amtsantritt bei Fresenius sorgte für rege Spekulationen, so wurde Sen bereits damals als möglicher Nachfolger an der Konzernspitze gehandelt.

Fresenius-Aufsichtsratschef Wolfgang Kirsch lobte Sen als "exzellenten" und für den Leitungsjob bestens qualifizierten Manager, er sei "versiert in der Gestaltung und Umsetzung von Transformations- und Veränderungsprozessen". Kirsch und der gesamte Aufsichtsrat seien fest davon überzeugt, dass der Vorstand unter Sens Führung dem Fresenius-Konzern "frische Impulse für unsere Wachstumsstrategie" geben werde.

Der Personalwechsel kommt nicht ganz überraschend: Der scheidende Konzernchef Sturm hatte nach mehrmaligen Gewinnwarnungen in den vergangenen Jahren erst kürzlich auch die Ziele für das laufende Jahr zurechtstutzen müssen. Dies brachte wohl endgültig auch für den Aufsichtsrat das Fass zum Überlaufen, der Sturm trotz anhaltender Probleme die Treue gehalten hatte. Der Manager verlasse das Unternehmen "im guten Einvernehmen", hieß es weiter.

Fresenius machen nach zwei ohnehin schwierigen Pandemiejahren aktuell die stockenden Lieferketten und die steigenden Kosten zu schaffen. Zudem litt die Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) unter der hohen Übersterblichkeit von Blutwäsche-Patienten mit Corona, zuletzt kam noch Personalmangel hinzu. Im Frühjahr 2021 läuteten Fresenius und FMC milliardenschwere Umbauprogramme ein, die in den kommenden Jahren zu Ergebnisverbesserungen führen sollen. FMC kündigte dabei einen Abbau von 5000 Stellen an.

Auch an der Börse stehen beide im Dax notierten Unternehmen seit längerem massiv unter Druck. So hat die Fresenius-Aktie seit Mitte 2017 rund zwei Drittel an Wert verloren, das FMC-Papier büßte in derselben Zeit mehr als die Hälfte seines Wertes ein. Doch auch der eingeläutete Sparkurs reichte den Investoren zuletzt nicht. Und neben den Sorgen um die Ergebnisse stieß den Anlegern wohl auch die nicht immer glückliche Kommunikation der Konzernführung auf.

In den kommenden Monaten dürften die Investoren nun die weiteren Schritte von Sen und seine Strategie genau verfolgen. Die Erwartungen auch im Konzern selbst dürften hoch sein, ob es dem Manager gelingt, Fresenius wieder in ruhigeres Fahrwasser zu führen.

Bereits unter Sturm hatte der Fresenius-Konzern die Suche nach möglichen Investoren für eine Minderheitsbeteiligung an der Kliniktochter Helios eingeläutet. Ein Börsengang von Helios wurde zuletzt nicht ausgeschlossen. Ähnliches gilt auch für die Servicegesellschaft Vamed. Dagegen sollte Kabi durch Übernahmen weiter gestärkt werden, erste Zukäufe wurden bereits verkündet. In den Fokus könnte mit dem Personalwechsel auch wieder die Fresenius-Beteiligung an FMC von rund einem Drittel rücken, deren Verkauf Sturm mehrfach eine Absage erteilt hatte.

Nun aber steht mit dem früheren Siemens- und Eon-Manager Sen bald ein Mann mit ausgewiesener Erfahrung im Abspalten von Unternehmensteilen an der Fresenius-Spitze: Bei Eon organisierte er als Finanzchef die Ausgliederung des Strom- und Gasgeschäfts in das - inzwischen wegen der Gaskrise schwer angeschlagene - Energiekonzern Uniper . Bei Siemens war er für das Gesundheitsgeschäft und später für den Energiebereich zuständig, die der Münchener Konzern als Siemens Healthineers und Siemens Energy an die Börse brachte.

Im Vorstand wird Sen künftig begleitet von einer ebenfalls neuen Finanzchefin: Die Bestellung von Sara Hennicken zum kommenden Monat hatte der Konzern bereits verkündet. Ebenfalls seit einigen Monaten bekannt ist die neue Chefin von FMC, Carla Kriwet. Die künftige zweite Frau an der Spitze eines Dax-Unternehmens startet am 1. Oktober in den neuen Job.

Sturm gehörte dem Vorstand von Fresenius seit Januar 2005 an, zunächst als Finanzchef. Zum 1. Juli 2016 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden berufen.

Bereits vor der Pandemie stand seine Amtszeit als Konzernchef jedoch unter keinem guten Stern: So floppte die zunächst als großer Erfolg gefeierte milliardenschwere Übernahme des US-Generikaherstellers Akorn. Fresenius blies den Kauf im Frühjahr 2018 wegen Problemen bei den Amerikanern ab. Es folgte ein unschöner Gerichtsstreit, den Fresenius aber für sich entschied.

Sturms Ruf als "Dealmaker", den er sich in den Jahren zuvor als Finanzvorstand neben dem früheren Fresenius-Chef und jetzigem Nestle -Lenker Ulf Mark Schneider erworben hatte, war damit angekratzt. Ein erfolgreicher Schritt war indes die Übernahme der spanischen Klinikgesellschaft Quironsalud für 5,8 Milliarden Euro 2017 - die bisher größte für den Fresenius-Konzern./tav/mne/mis/jha/