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Die 4 Tradingtaktiken vom US-Investing Champion Mark Minervini im Überblick

Strategien Marius Müllerhoff 2.181 Leser

Mark Minervini ist eine Trading-Ikone. Er kommt aus armen Verhältnisse. Er hat die Schule frühzeitig abgebrochen, um sein Glück als Musiker zu versuchen. Doch dann kam sein Interesse für die Börse Mitte der 80er Jahre und der Rest ist Geschichte. In der Zwischenzeit ist er Multi-Millionär und Autor von Büchern über Trading und Trader-Psychologie geworden, hat George Soros beraten und konnte zweimal die US-Investing Championships gewinnen (1997 und 2021).

Im Rahmen der von William O´Neil entwickelten CANSLIM-Tradingstrategie hat Minervini vier eigene „tactics“, wie er sie bezeichnet, abgeleitet. Konkret handelt es sich um:



- Low cheat

- Cheat

- Handle

- Pullback



Grundvoraussetzungen für diese vier Taktiken sind, dass sich eine Aktie in einem Aufwärtstrend, über dem 200 Tagedurchschnitt und dem 50 Tagedurchschnitt (wobei der 50 Tagedurchschnitt über dem 200 Tagedurchschnitt liegt) und in einer Base befindet. Den 150 Tagedurchschnitt berücksichtigt er in seinem Trend-Template seit diesem Jahr (2023) nicht mehr.

Außerdem will Minervini eine Abnahme der Volatilität („volatility contraction“) und eine Reduktion des Handelsvolumens („volume dry up“) sehen. Letztlich sollte eine Aktie eine möglichst hohe relative Stärke vorweisen, idealerweise von über 90 gemäß der relative Stärke nach IBD.

Low Cheat – Im unteren Drittel der Base, frühestmöglicher Einstiegspunkt

Die beiden “Cheat“-Taktiken („Low Cheat“ und „Cheat“) haben sich in den 90er Jahren herauskristallisiert. Laut Minervini hat er sich damals fast täglich mit einem Trader-Freund über Trading-Setups ausgetauscht. Hier kam es gelegentlich vor, dass Minervini seinem Freund eine Aktie vorstellte, die auf dem Weg zum Ausbruch war und daher auf seiner Fokus-Liste stand. Sein Freund erwiderte hierauf manchmal, dass er bei der Aktie bereits vor dem Ausbruch einstiegen sei. Er sagte: „I cheated”. Das ist der Ursprung für den Begriff der beiden Handelstaktiken „Low Cheat“ und „Cheat“.

Die “Low Cheat” Taktik ist also eine Methode, um früher in eine Aktie einzusteigen, die in der Folge potenziell auf neue Hochs ausbrechen wird. Die Aktie befindet sich zu dem Kaufzeitpunkt im unteren Drittel der Base. Wenn die Aktie aus der kurzfristigen Spanne ausbricht, kann der Trader eine Position eröffnen. Dies ermöglicht es dem Trader, einen niedrigeren Einstiegspreis zu erzielen. Ein „Low Cheat“ darf sich bis zu 8-10% unterhalb des 50 Tagedurchschnitts befinden.

Folgend ein Beispiel der „Low Cheat“ Tradingtaktik (Belfuse am 09.01.2023). Die Aktie befindet sich in einer kurzfristigen Spanne. Die Volatilität nimmt ab. Das Handelsvolumen fällt. Am 09.01.2023 bricht die Aktie aus der Spanne aus unter Volumen, das bei mehr als 100% des Volumens des Vortages liegt. Das ist die klassische „Low Cheat“ Taktik à la Minervini.

Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Art von Trade erfolgreich ist, beziffert Minervini als niedriger ein verglichen mit dem „Cheat“ und dem „Handle“ (siehe weiter unten).

Quelle: www.traderfox.com

Ein weiteres Beispiel der „Low Cheat“ Taktik ist Axon Enterprise (ebenfalls am 09.01.2023).

Quelle: www.traderfox.com

Cheat - Im mittleren Drittel der Base

Die "Cheat“-Taktik von Mark Minervini ist eine Variante der "Low Cheat" Taktik. Während das „Low Chat“ sich im unteren Drittel der Base befindet, ist es beim „Cheat“ das mittlere Drittel. Das „Cheat“ muss über dem 50 Tagedurchschnitt und oberhalb des „Low Cheat“ liegen.

Im Rahmen des „progressive Exposure“ würde Minervini beim „Cheat“ einen zweiten Kauf tätigen, nachdem der erste Kauf beim „Low Cheat“ realisiert wurde. Manchmal stellt der „Cheat“ lediglich den ersten Kauf dar.

Aufbauend auf dem Beispiel mit Belfuse soll die „Cheat“-Taktik nun graphisch veranschaulicht werden. Analog zum „Low Cheat“ befindet sich die Aktie in einer kurzfristigen Spanne. Das Handelsvolumen und die Volatilität nehmen ab. Am 17.01.2023 bricht die Aktie aus der Spanne aus. Das Volumen beläuft sich an diesem Tag auf knapp 100% des Volumens des Vortages.

Quelle: www.traderfox.com

Ein weiteres Beispiel der „Cheat“ Taktik ist F&G Annuities & Life vom 16.10.2023.

Quelle: www.traderfox.com

Handle – Im oberen Drittel der Base

Der sogenannte “Handle” entspricht der dritten Tradingtaktik. Er findet im oberen Drittel der Base statt. Im Rahmen des „progressive exposure“ stellt er damit die dritte Kaufmöglichkeit dar. Die „Handle“-Taktik ist sehr ähnlich zum „cup & handle“ (Tasse mit Henkel) von William O‘Neil. Der „Handle“ über dem 50 Tagedurchschnitt liegen und oberhalb des „Cheat“ liegen.

Aufbauend auf dem Beispiel mit Belfuse soll folgend die „Handle“ Taktik graphisch präsentiert werden. Der Ausbruch erfolgte am 31.01.2023. Das Volumen beläuft sich auf fast 250% des Volumens des Vortages.

Quelle: www.traderfox.com

Ein weiteres Beispiel der „Handle“ Taktik ist WillScot Corp. am 07.02.2023.

Quelle: www.traderfox.com

Pullback – Nach einem Breakout aus „Cheat“ oder „Handle“

Der Pullback-Kauf ist die vierte Tradingtaktik von Minervini. Eine Aktie bricht aus einem „Cheat“ oder „Handle“ aus und kommt dann zum Breakoutniveau zurück. Die Position wird eröffnet, wenn das Hoch des Vortages herausgenommen wird. Der Pullback muss innerhalb der Base erfolgen. Idealerweise beläuft sich ein Pullback auf nicht mehr als zwischen 3% und 5% und erfolgt zeitlich gesehen nahe des Breakouttages.

Minervini betont explizit, dass seine Pullback-Taktik nichts mit einem Pullback zu einem gleitenden Durchschnitt zu tun haben. Bei seiner Pullback-Taktik geht es darum, Aktien zu kaufen, die zu einem kürzlich erfolgten Ausbruchsniveau zurückkommen und dann an diesem Niveau wieder nach oben drehen.

Aufbauend auf dem Beispiel mit Belfuse soll die „Pullback“ Taktik in Verbindung mit einem „Cheat“ nun graphisch dargestellt werden. Die Aktie bricht am 17.01.2023 aus. Dann kommt es zu einem Pullback. Der Pullback-Kauf wird am 20.01.2023 getätigt, als die Aktie das Hoch des Vortages herausnimmt.

Quelle: www.traderfox.com

Beim folgenden Beispiel von Magnite vom 15.02.2023 erfolgt der Pullback, nachdem die Aktie ein „Handle“ gebildet hat.

Quelle: www.traderfox.com

Beim Pullback-Kauf will Minervini sogenannte “tennis ball action” sehen. Das heißt, dass sich eine Aktie idealerweise wie ein Tennisball verhält, der sofort wieder oben springt, nachdem er den Boden bzw. das Breakoutniveau erreicht hat.

Schaut man sich den Chart von Magnite noch einmal genauer an, dann erkennt man, dass die Aktie in den sieben Handelstagen vor dem Pullback-Kauf entweder langsam gefallen ist oder seitwärts ging. Dann benötigte die Aktie lediglich einen Handelstag, damit sie wieder auf dem Niveau von vor den sieben Tagen steht. Das ist wunderschöne „tennis ball action“, die dazu noch unter erhöhtem Volumen erfolgt.

Als Gegenbeispiel (bzw. Metapher) erwähnt Minervini ein Ei, das nicht nach oben springt, wenn es den Boden erreicht hat. Er sagt immer: „You want the stock to act like a tennis ball, not like an egg.”

Ein paar abschließende Worte zu den vier Taktiken

Zu guter Letzt sollen alle vier Taktiken zusammen in einer Abbildung dargestellt werden.

Quelle: www.traderfox.com

Der “Low Cheat” muss vor dem “Cheat” erfolgen und der “Cheat” muss vor dem “Handle” eintreten. Der “Pullback” kann entweder nach dem “Cheat” oder nach dem “Handle” erfolgen. Mittels dieser vier Taktiken kann ein Trader „progressive Exposure“ realisieren.


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