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Die Hexe der Wall Street – Hetty Green

Artikel, Zitate und Personen Nick Thomas 2.753 Leser

Sie war die reichste Frau der Welt und dennoch zu geizig, sich ein eigenes Büro einzurichten. Lesen Sie hier die Geschichte einer Frau, die sich in einer von Männern dominierten Welt nicht nur behauptete, sondern diese sogar formte. The Witch of Wall Street – Hetty Green.

hetty-greenHenrietta Howland Robinson wurde am 21. November 1834 in New Bedford, Massachusetts, geboren. Sie war die Tochter und einziges Kind einer großen Walfänger-Familie mit eigener Flotte. Ihre Mutter Abby war chronisch krank, sodass sich Henrietta, Spitzname Hetty, eher zu ihrem Vater hingezogen fühlte. Als dessen Augenlicht zu schwinden begann, musste sie bereits mit 6 Jahren die Börsennachrichten und Geschäftsbriefe für ihren Vater sowie dem Großvater vorlesen. Beide erklärten ihr geduldig alle Dinge, die sie in den Texten nicht verstand. Mit 13 Jahren legten die Robinsons bereits soviel Vertrauen in das Können und die Klugheit ihrer Tochter, dass sie Hetty zur Familienbuchhalterin machten. Zwischen 1850 und 1853 besuchte Henrietta die Eliza Wing School und arbeitete danach wieder im Familienbetrieb.

Großes Erbe

In den 1860er Jahren starben viele von Hettys Verwandten und hinterließen fast alles der jungen Frau. So lebte zuerst Hettys Mutter Abby ab und vermachte ihrer Tochter ein Vermögen von $ 8.000,00. Ebenfalls 1860 starb eine ihrer Tanten, die ihr $ 20.000,00 vererbte. 1865 traf es dann ihren Vater, der ein Vermögen von ca. $ 5 Mio. hinterließ, welches er allerdings von einem Treuhänder für Hetty verwalten ließ, da man Frauen den Umgang mit soviel Geld in dieser Zeit nicht zutraute. Sie erhielt jährlich Zahlungen aus diesem Treuhandfonds. Hetty verachtete den Geldverwalter zutiefst, da sie sich als weitaus fähiger einschätzte, um das Vermögen ihres Vater zu verwalten. Letztlich verstarb 1865 auch eine weitere Tante, die ihr ursprünglich $ 2 Mio. vererben wollte, aber unter dem Einfluss von schweren Arzneimitteln viel von diesem Geld an ihren Arzt vererbte, der ihr die Drogen verschrieb. Hetty klagte dagegen und konnte noch $ 600.000,00 für sich herausschlagen. Das macht also per Saldo eine Summe von $ 5,628 Mio.

Kein schlechtes Erbe. Wenn man diesen Betrag allerdings inflationsbereinigt auf das Jahr 2017 umrechnet, verfügte Hetty mit Anfang Dreißig bereits über ein Vermögen von $ 89,9 Mio. Ein richtig großer Haufen Geld, der sie zu einer der reichsten Amerikanerinnen machte.

1867 heiratete Hetty den Spekulanten Edward Henry Green, ein Mitglied der reichen Vermont-Familie. Hetty bestand allerdings auf einen Ehevertrag, sodass Edward im Falle einer Scheidung keinen Cent sehen würde. Beide lebten eine Zeit lang in London und bekamen dort zwei Kinder: 1868 erblickte ihr Sohn Ned das Licht der Welt und 1871 wurde Sylvia geboren.

Investment

Hetty Green, wie sie nun genannt wurde, entwickelte ihre ganz eigene Strategie. Sie setzte ihren Fokus auf konservative Investments wie Immobilien, Eisenbahngesellschaften oder Minen. Außerdem hielt sie immer einen Cashbestand in zweistelliger Millionenhöhe parat, falls sich Chancen boten. Und letztlich wollte sie einen kühlen Kopf bewahren, wenn es rundgeht und andere in Panik verfallen. Hetty kann also durchaus als Value-Investoren bezeichnet werden. Allerdings betrieb sie keine Buy-and-Hold Strategie, sondern setzte für jedes Investment einen Verkaufspreis fest, zu welchem sie ihre Beteiligungen abstieß.
Ihr erster großer Clou war die Spekulation mit US-Staatsanleihen während des Amerikanischen Bürgerkrieges. Da selbst nach Kriegsende niemand so recht in die Wirtschaftskraft der USA vertraute, sanken die Kurse der Staatsanleihen weiter und Hetty kaufte alles, was sie in die Finger bekommen konnte. So machte sie die erste eigene Million (sogar $ 1,25 Mio), und das obwohl sie nur über $ 628.000,00 frei verfügen und somit investieren konnte.

Mitte der 1870er zogen die Greens zurück in die Staaten. Hetty musste leider feststellen, dass ihr Mann pleite war und nun mit ihrem Geld spekulierte, obwohl sie die Finanzen eigentlich strikt trennten. Hetty zögerte nicht und schmiss ihren Mann aus dem Haus. Allerdings sollte sie später in seinen Sterbejahren für seine Pflege aufkommen.

Hetty kaufte in den 1880er und 1890er Jahren allerhand Hypotheken auf Immobilien und investierte kräftig in Eisenbahngesellschaften und Minen. Sie kaufte ganze Eisenbahnstrecken mit strategisch günstiger Lage und spekulierte darauf, dass größere Eisenbahngesellschaften diese Strecken aus Konsolidierungsbestrebungen erwerben wollten. Oftmals hatte sie recht und konnte die Strecken mit grandiosen Renditen veräußern. Für ihr Gespür und ihre Verhandlungshärte wurde sie gehasst und gleichermaßen gefürchtet. In der Panik 1907, einer großen Finanzkrise im letzten Jahrhundert, hatte Hetty einen riesigen Cashbestand, da sie die Zeichen einer Marktüberhitzung frühzeitig erkannte und alles zu Geld machte, was sie hatte. In dieser Zeit ging Hetty auf Shopping-Tour und kaufte allerhand Beteiligungen und Immobilien.
Außerdem wurde sie zur Kreditgeberin. Die Menschen standen bei ihr Schlange und sie konnte sich aussuchen, wem sie Geld lieh und wem nicht. Allerdings blieb sie trotz der für sie günstigen Voraussetzungen stets fair und verlangte für ihre Kredite nie mehr als 6% Zinsen. Selbst die Stadt New York lieh sich bei Hetty Green Geld.

Kurz vor ihrem Lebensende gehörten ihr ganze Hochhausblöcke in New York, Chicago, Boston und San Francisco. Sie nannte Telefongesellschaften, Bergwerke, Ölquellen und allerhand anderer Unternehmen ihr eigen.

Geizhals

Hettys krankhafte Sparsamkeit ist legendär und brachte ihr sogar einen Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde als weltgrößter Geizhals ein. So soll sie sich bereits zu ihrem 21. Geburtstag geweigert haben, die Kerzen auf ihrem Kuchen anzuzünden, da sie diese am nächsten Tag wieder ins Geschäft zurückbringen wollte.
Trotz ihres immensen Vermögens kaufte sie immer nur Keksbruch anstatt feiner Pralinen und forderte beim Fleischer Gratisknochen für ihren Hund. Als die Kinder ausgezogen waren, lebte Hetty immer in kleinen Appartements im Umland von New York und lebte rotierend in ihnen, um sich das Finanzamt vom Leib zu halten und Steuern zu sparen. In diesen Wohnungen machte sie niemals die Heizung an und verwendete auch kein warmes Wasser, um Kosten zu senken. Sie trug immer das gleiche schwarze Kleid und ließ nur die Teile davon waschen, die am dreckigsten waren, um Seife zu sparen. Es wird sogar erzählt, dass sie einmal eine ganze Nacht wach gewesen sein soll, um eine Briefmarke im Wert von 2 Cent zu finden, die sie in eine ihrer Wohnungen verloren hatte. Außerdem richtete sie sich auch kein Büro ein, sondern nutzte den Kundenraum in ihrer Hausbank Seaboard National Bank in New York als inoffizielles Büro. Natürlich gehörte ihr diese Bank mehrheitlich.
Hetty legte sich sogar einen Revolver zu und fuhr tausende von Meilen durch das ganze Land, um in einer schäbigen Einwanderersiedlung wenige hundert Dollar schulden einzutreiben.
Aufgrund ihres Aussehens, ihrer Verhandlungshärte, ihrer Sparsamkeit und der Tatsache, eine Frau in einer von Männern dominierten Branche zu sein, bekam sie den Spitznamen „The Witch of Wall Street“ verpasst, also die Hexe der Wall Street. Hetty gilt als erste große Geschäftsfrau der Wall Street.

Sie starb am 03. Juli 1916 in New York an einem Schlaganfall. Sie hinterließ ihren beiden Kindern ein Vermögen von $ 200 Mio. (inflationsbereinigt: ca. $ 4,4 Mrd.). Ned und Sylvia waren nicht so sparsam wie ihre Mutter und spendeten das ganze Geld, da sie selber keine eigenen Kinder hatten.

Zitate

- „Reich werden ist keine Kunst. Alles, was du tun musst, ist billig kaufen und teuer verkaufen, klug und sparsam agieren und beständig bleiben.“
- „Mein Vater brachte mir bei, niemals Jemandem etwas zu schulden, nicht einmal einen Gefallen.“
- „Ein Spatz in der Hand ist besser als die ganze Arithmetik auf dem Dach.“
- „Am Ende macht man mehr Geld mit übermäßiger Vorsicht als grober Fahrlässigkeit.“
- „Ich kaufe die Dinger, wenn sie tief stehen und sie niemand haben will. Ich behalte sie dann, bis sie steigen, und die Leute sie wie verrückt haben wollen.“
- „Solange Frauen nicht mit dem Sparen anfangen, werden wir nicht viele weibliche Millionäre in diesem Land haben.“
- „Harte Arbeit und gerechter Lohn. Diese Dinge führen jeden zum Erfolg.“
- „Eine gute Geschäftsfrau ist oftmals klüger als ein guter Geschäftsmann.“
- „Wenn ich etwas sehe, das billig ist weil es niemand haben will, dann kaufe ich viel davon und packe es beiseite. Dann, wenn die Zeit gekommen ist, müssen sie mich jagen und mir einen guten Preis für meine Stücke zahlen.“
- „40 Jahre lang musste ich um jeden Meter meines Weges kämpfen.“
- „Als der Crash kam, hatte ich Geld, und ich war eine der sehr Wenigen, die viel Geld hatte.“
- „Ich versuche alle gerecht zu behandeln. Aber wenn jemand mit mir kämpfen möchte, dann gebe ich ihm den Kampf, den er haben möchte.“
- „Als ich ein Kind war musste ich meinem Vater stets die Aktiennachrichten und diverse Geschäftsvorgänge vorlesen. Was ich nicht verstand, erklärte er mir behutsam.“
- „Warum ist ein Anwalt wie ein Mann, der nicht einschlafen kann? Weil beide zuerst die eine Seite belügen, und dann die andere.“
- „Ich bin hier um zu holen, was mir zusteht.“
- „Spekuliere nicht an der Wall Street; kaue langsam; bleibe nicht die ganze Nacht lang wach; trinke kein Eiswasser; meide Zugluft.“
- „Mein Großvaters Augenlicht wurde schlechter, und das meines Vaters ebenfalls. Sobald ich lesen konnte war es daher meine tägliche Pflicht, die Finanznachrichten der Welt vorzulesen.“
- „Ich glaube nicht, dass Gesellschaft mit dem gleichzusetzen ist, was uns ein paar reiche Leute glauben machen wollen.“
- „Mein ganzes Leben war ein Kampf gegen die Wahrscheinlichkeit.“
- „Das Land besitzt immer noch alle nötigen Elemente für Wohlstand und dieser wird zurückkommen, sobald die Bedingungen stimmen.“
- „Ich kämpfe hier aus Prinzip. Ein paar Dollar mehr oder weniger tun eigentlich nichts zur Sache.“
- „Ich glaube nicht, dass irgendjemand härter als ich arbeitet.“
- „Eine gute Geschäftsfrau sollte üben und trainieren ihrem eigenen Urteilsvermögen zu vertrauen.“