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Die Nasdaq knackt die 20.000 Marke. Was sagen die psychologischen Indikatoren zur aktuellen Lage?

Aktienanalysen Marius Müllerhoff 544 Leser

Am vergangenen Mittwoch konnte die Nasdaq zum ersten Mal über der 20.000 Punktemarke schließen (siehe folgende Abbildung). Es waren die jüngsten Inflationszahlen, die zu den neuen Höchstständen beitrugen, denn sie untermauerten die Erwartungen auf eine weitere US-Zinssenkung um einen Viertelprozentpunkt in der nächsten Woche. Der neue 20.000-Meilenstein bringt die Performance der technologieorientierten Nasdaq auf über 30 % seit Jahresbeginn.

Neben den Inflationszahlen sahen wir in den letzten Tagen weitere Katalysatoren, die den Aufwärtstrend befeuerten und die folgenden drei BigTech-Aktien auf neue Allzeithochs katapultierten. So gab es eine Dosis generativer KI-Schlagzeilen von Alphabet (GOOGL), die mit der Einführung von Gemini 2 und eines „umwerfenden“ Quantencomputerchips auf sich aufmerksam machte. Außerdem verkündete Apple (AAPL) die lang erwartete Integration von Siri mit ChatGPT und die Entwicklung von hauseigenen KI-Serverchips in Zusammenarbeit mit Broadcom. Letztlich schoss Tesla (TSLA) nach oben, nachdem General Motors aus dem Robotaxi-Rennen ausgestiegen war.

Quelle: https://desk.traderfox.com/

Bei all diesen sehr erfreulichen Nachrichten und der allgemeinen Begeisterung über die 20.000 Marke könnten wir in eine Übertreibungsphase eintreten. Daher ist es wichtig, einen Blick auf das Marktsentiment und damit auf die psychologischen Indikatoren zu werfen.

„Angst und Geiz“ Index im neutralen Bereich

Der „Angst und Geiz“ Index bzw. „Fear and Greed“ Index wird von CNN Business erhoben und ist vermutlich einer der bekanntesten psychologischen Indikatoren (siehe folgende Abbildung).

Er kann Werte zwischen 0 und 100 annehmen, wobei 0 für extreme Angst („extreme fear“) steht und 100 für extreme Gier („extreme greed“) steht. Werte von 0 bis 25 bedeuten „extreme fear“. Werte von 26 bis 45 stehen für „fear“. Werte von 46 bis 55 bedeuten „neutral“. Werte von 56 bis 75 implizieren „greed“ und Werte von 76 bis 100 bedeuten „extreme greed“.

Dieser Indikator wird aus sieben Sub-Indikatoren ermittelt. Hierunter fallen u. a. neue 52 Wochenhochs in Relation zu neuen 52 Wochentiefs, Marktvolatilität und Put/Call Ratio.

Quelle: https://edition.cnn.com/markets/fear-and-greed

Per 12.12.2024 steht der Indikator bei 49. Damit befinden wir uns im neutralen Bereich. Wir sehen also keine Übertreibung bzw. extreme Euphorie infolge des Erreichens der 20.000 Nasdaq-Marke.

Falls der Index in den „fear“ Bereich fallen sollte, könnte dies implizieren, dass sich immer mehr Marktteilnehmer auf die bärischen Seite geschlagen haben und sich somit nach unten absichern. Das würde eher für eine Fortsetzung der Nasdaq-Rallye sprechen. Falls der Index in den „greed“ bzw. „extreme greed“ Bereich übergehen sollte, könnte die Rallye (kurzfristig) ein Ende erleben.

Marktbreite leicht abnehmend

Der Russell 2000, welcher ein Index ist, der 2000 kleine und mittelgroße marktkapitalisierte Unternehmen beinhaltet, spiegelt die Marktbreite wider. Er steht gut 4 % unterhalb seines Allzeithochs, welches Ende November markiert wurde, und ist in der Zwischenzeit unter seinen gleitenden 20 Tagedurchschnitt gefallen. Die Nasdaq dagegen steht am Allzeithoch und damit über ihrem gleitenden 10 Tagedurchschnitt. Folglich sehen wir eine Divergenz, die auf eine abnehmende Marktbreite zurückzuführen ist.

Am gestrigen Donnerstag erlebten wir zum ersten Mal nach 15 Tagen hintereinander, dass es mehr Aktien gab, die neue 52 Wochentiefs („new lows“) machten, als Aktien, die neue 52 Wochenhochs („new highs“) markierten (siehe folgende Abbildung). Das steht für abnehmende Marktbreite.

Quelle: https://finviz.com/

Außerdem ist es sinnvoll, einen Blick darauf zu werfen, wie viele Aktien sich über ihrem jeweiligen gleitenden 50 Tagedurchschnitt (SMA50) befinden. Aktuell sind es 54,4 % (siehe folgende Abbildung). Das sind knapp zehn Prozentpunkte weniger als Anfang Dezember. Wir sehen also auch bei diesem Indikator eine abnehmende Marktbreite.

Quelle: https://finviz.com/

Eine abnehmende Marktbreite ist nicht ideal, insbesondere wenn die großen Indizes gleichzeitig neue Allzeithochs markieren. Denn dies bedeutet, dass die Marktstärke bzw. das Aufwärtsmomentum von immer weniger Aktien getragen wird. Dies könnte dazu beitragen, dass die Indizes letztlich wegbrechen werden, wie es im vierten Quartal 2021 der Fall war.

AAII-Indikator

Die Abkürzung „AAII“ steht für „American Association of Individual Investors“. Der AAII-Indikator bzw. die AAII-Umfrage befragt Privatanleger, wohin sich der Markt in den nächsten sechs Monaten bewegen wird. Historisch gesehen liegt der Wert für bullisch bei 37,5%, für neutral bei 31,5% und für bärisch bei 31%.

Quelle: https://www.aaii.com/sentimentsurvey

Der Optimismus hinsichtlich der kurzfristigen Aussichten für Aktien hat in der jüngsten AAII Sentiment Survey abgenommen. Gleichzeitig hat der Pessimismus der Privatanleger zugelegt.

Die bullische Stimmung, also die Erwartung, dass die Aktienkurse in den nächsten sechs Monaten steigen werden, ist um 5 Prozentpunkte auf 43,3 % gefallen. Der Optimismus liegt zum 56. Mal in 58 Wochen über seinem historischen Durchschnitt von 37,5 %.

Die neutrale Stimmung, also die Erwartung, dass die Aktienkurse in den nächsten sechs Monaten im Wesentlichen unverändert bleiben, stieg um 4,0 Prozentpunkte auf 25 %. Die neutrale Stimmung liegt zum 22. Mal in 23 Wochen unter ihrem historischen Durchschnitt von 31,5 %.

Die bärische Stimmung, also die Erwartung, dass die Aktienkurse in den nächsten sechs Monaten fallen, stieg um 1,0 Prozentpunkte auf 31,7 %. Der Pessimismus liegt zum dritten Mal in vier Wochen über seinem historischen Durchschnitt von 31,0 %.

Der Bull-Bear-Spread (bullische minus bärische Stimmung) sank um 6,0 Prozentpunkte auf 11,7 %. Der Bull-Bear-Spread liegt zum 30. Mal in 32 Wochen über seinem historischen Durchschnitt von 6,5 %.

Insgesamt zeigt uns der AAII-Indikator somit ein bullisches Bild unter den Privatanlegern. Von einem extrem bullischen Zustand, den man aufgrund der Höchststände der Indizes erwarten könnte, kann nicht die Rede sein. Damit ergibt sich für die Indizes noch Luft nach oben.

NAAIM Exposure Index

Die Abkürzung NAAIM steht für „National Association of Active Investment Managers“. Dieser Index stellt das durchschnittliche Engagement an den US-Aktienmärkten dar, das von den Investment Managern gemeldet wird. Dieser Index gibt Einblick in die tatsächlichen Anpassungen, die aktive Risikomanager in den letzten zwei Wochen in den Konten der Kunden vorgenommen haben. Die blaue Linie in der folgenden Abbildung zeigt einen zweiwöchigen gleitenden Durchschnitt der Antworten der NAAIM-Manager.

Quelle: https://www.naaim.org/programs/naaim-exposure-index/

Der aktuelle Wert liegt bei 99,24. Gegenüber der Vorwoche sahen wir einen Anstieg von knapp 14 Punkten. Der Wert befindet sich sehr nahe des 52 Wochenhochs.

Das zeigt uns, dass die Investment Managers sehr bullisch aufgestellt sind. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit deutlich gestiegen, dass wir einen Rücksetzer bi den Indizes erleben könnten.

Marktvolatilität (VIX)

Die Marktvolatilität (VIX) stellt einen weiteren psychologischen Indikator dar (siehe folgende Abbildung). Hierbei handelt es sich um einen Sub-Indikator des Fear and Greed Index. Die Berechnung des VIX ist komplex. Kurz zusammengefasst: Es wird die erwartete Volatilität auf Jahressicht berechnet, indem der Durchschnitt der gewichteten Preise von Out-of-the-money-Puts und -Calls für den S&P 500 in Echtzeit gebildet wird. Um die Tagesvolatilität zu berechnen, muss man den VIX durch 16 teilen (16 entspricht ungefähr der Wurzel von 252, wobei 252 für die Anzahl an Trading-Tagen pro Jahr steht). Beispiel: Wenn der VIX einen Wert von 32 aufweist, dann beläuft sich die erwartete Tagesvolatilität des S&P 500 auf 2%. Dies wäre relativ volatil und wäre ein Anzeichen von Angst im Markt.

Quelle: https://bigcharts.marketwatch.com

Per 12.12.2024 steht der VIX bei 13,91. Damit verharrt er auf einem sehr niedrigen Niveau. Außerdem befindet er sich unterhalb des gleitenden 200 Tagedurchschnitts.

Man sagt, dass Werte über 20 erhöhte Volatilität und damit gestiegenen Pessimismus im Markt widerspiegeln. So sahen wir beispielsweise am 05. August, dass der VIX auf fast 66 hochschoss, als die Nasdaq den Handelstag mit -6,4 % eröffnete.

Aktuell zeigt uns der VIX, dass die Lage an den US-Aktienmärkte nicht angespannt ist. Folglich sollte sich die Rallye fortsetzen.

Put/Call Ratio

Der Put/Call-Ratio ist ein konträrer Stimmungsindikator, der dabei hilft, größere und kurzfristige Markttiefs zu bestimmen. Er wird berechnet, indem die Anzahl der gehandelten Put-Optionen durch die Anzahl der gehandelten Call-Optionen dividiert wird.

Man sagt, dass in einem Bullenmarkt dieses Verhältnis meistens einen Wert von unter 0,7 aufweist. Die Begründung dafür liegt darin, dass Investoren zuversichtlich sind und somit eher auf der Call-Seite aktiv sind. In einem Bärenmarkt weist das Verhältnis meistens eine Zahl von über 0,7 auf, weil das gehandelte Volumen auf der Put-Seite größer ist. Denn Investoren kaufen Versicherung, um sich nach unten abzusichern.

Quelle: https://ycharts.com/indicators/cboe_equity_put_call_ratio

Aktuell steht der Put/Call Ratio bei 0,53. Damit befindet sich das Verhältnis unterhalb der Marke von 0,7. Die Marktteilnehmer haben sich also weniger nach unten abgesichert und sind vor allem auf der Call-Seite aktiv.

Was lässt sich abschließend festhalten?

Aktuell sehen wir eine abnehmende Marktbreite, die ein kleines Warnsignal darstellt. Gleichzeitig gibt es im Durchschnitt der betrachteten Indikatoren keine extreme Euphorie unter den Marktteilnehmern, die auf eine Übertreibung hindeuten würde. Während die Nasdaq relativ weit entfernt ist von ihrem gleitenden 50 Tage- und 200 Tagedurchschnitt und somit ein Rücksetzer aus charttechnischer Sicht zu erwarten wäre, kann man von den psychologischen Indikatoren nicht sagen, dass sie dies bestätigen.


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