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Diese zwei wachstumsstarken Tech-IPOs müssen Anleger auf dem Schirm haben!

Aktienanalysen Hinnerk Lührs 1.126 Leser

Liebe Leser,

der Technologie-Sektor wurde in den letzten Monaten konsequent abverkauft. Dies ist nach der Rallye, welche auf die Corona-Pandemie folgte und zu einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 30 im Nasdaq führte, nicht überraschend. Anfang April 2022 waren die fünf größten Aktien im Nasdaq-Index (Microsoft, Amazon, Nvidia, Tesla und Apple) mit dem 55-fachen ihres Free Cashflows bewertet. Bei Wachstumsraten, wie sie wir im Jahr 2020 nach der Pandemie gesehen haben, wäre dies eventuell noch zu rechtfertigen gewesen, allerdings ist das kumulative Free-Cashflow-Wachstum dieser fünf Unternehmen im Q4-2021 negativ gewesen. Wenn eine hohe Bewertung auf ein sich abschwächendes Wachstum trifft, führt dies in der Regel zu niedrigeren Aktienkursen.

Allerdings hören die technologischen Fortschritte, die Digitalisierung, die Automatisierung der Industrie, der Wandel hin zur E-Mobilität, uvm. auf absehbare Zeit nicht auf. Apple wuchs im Q1-2022 mit 8,6 % und Amazon erwartet für das nächste Quartal ein Wachstum von 3-7 %. Big Tech wächst zum Teil zwar nicht mehr mit zweistelligen Wachstumsraten, aber viele kleinere Technologie-Unternehmen, welche auf Nischenmärkten agieren, dürfte noch über mehrere Jahre hinweg deutlich höhere Wachstumsraten ausweisen. Deshalb sollte man den Technologie-Sektor nicht ignorieren, sondern nach neuen Technologie-Unternehmen Ausschau halten, welche die Börse in den letzten Monaten nicht honoriert hat. 

Ich habe mich bei den jüngsten Börsengängen umgeschaut und zwei interessante Unternehmen mit eigenen Technologie-Plattformen entdeckt. Viel Spaß!

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Tech-IPO Nr. 1: Cybersecurity, 40+ % Wachstum und 25+ % FCF-Marge


KnowBe4 kam erst im April 2021 an die Börse. Das Unternehmen kommt aus der Cybersecurity-Branche und betreibt die weltweit größte Plattform für Sicherheitsbewusstsein und simuliertes Phishing. Phishing ist der Versand gefälschter Mails, mit welchen zum Beispiel in Unternehmensnetzwerke eingedrungen werden kann. Mittlerweile hat KnowBe4 über 47.000 Kunden beim Thema Social Engineering geholfen. Social Engineering ist ein Begriff für ein breites Spektrum bösartiger Cyber-Aktivitäten, die durch menschliche Interaktionen ausgeführt werden. KnowBe4 hat eine Software-Plattform für Compliance- und Schulungsprogramme entwickelt. Mithilfe der Plattform können Unternehmen ihre Mitarbeiter in den Themen Phishing und Cyber-Betrug ausbilden. 

KMSAT ist das Kernprodukt von KnowBe4. Mit KMSAT können Schulungen, Risiko-Bewertungen und simulierte Phishing-Kampagnen durchgeführt werden. PhishER ist ein weiteres Produkt, mit welchem von Benutzern gemeldete Phishing-Angriffe analysiert werden. Weitere Produkte umfassen Compliance-Lösungen, sowie die Produkte Security Coach und PasswordIQ. Mit Security Coach werden automatisch Sicherheitswarnungen an Mitarbeiter versendet, wenn Cybersecurity-Vorschriften nicht eingehalten werden. PasswordIQ prüft kontinuierlich, ob schwache, wiederverwendete oder verletzte Zugangsdaten im Unternehmen verwendet werden. Die beiden zuletzt genannten Produkte sollen im zweiten Halbjahr 2022 auf den Markt kommen und befinden sich derzeit noch in der Entwicklung.

In den letzten zehn Jahren wurden die Investitionen in Cybersecurity von Unternehmen zwar deutlich angehoben, allerdings ist die Anzahl der Cyber-Attacken noch schneller gestiegen. Social Engineering wird zu einem immer größeren Problem für Unternehmen. Der Großteil der Cybersecurity-Ausgaben geht in Netzwerk- und Endpoint-Sicherheit, gefolgt von Web-Sicherheit und Identitätsmanagement. Nur 3 % der Cybersecurity-Ausgaben zielen auf Menschen ab bzw. Social Engineering. Dies bietet Wachstumspotenzial für KnowBe4. Mit den Schulungen von KnowBe4 sind Menschen nach 12 Monaten laut unternehmenseigenen Angaben siebenmal weniger anfällig für Phishing.

KnowBe4 dürfte mit der Software-Plattform einfach skalieren können. Die Schulungen und Produkte sind bereits in 34 Sprachen übersetzt. Im Bereich “Business” ist die KnowBe4-App eine der Top-10 bekanntesten Apps und befindet sich auf einer Liste mit Apps wie Microsoft 365, Google Workspace, Zoom, Slack und DocuSign. Die Einnahmen sind zu 100 % wiederkehrend, die Net Dollar Retention Rate liegt bei 108 %, das Unternehmen arbeitet mit einer 85,7 %igen Bruttomarge und einer 28,9 %igen Free Cashflow Marge. KnowBe4 ist zwar noch nicht profitabel, arbeitet aber Free Cashflow positiv. Im letzten Jahr wurde ein Free Cashflow von 71,4 Mio. USD erwirtschaftet.

Ich bin zuversichtlich, dass KnowBe4 die Profitabilitässchwelle noch in diesem Jahr nachhaltig überschreiten wird. Im letzten Jahr wuchs der Umsatz um 41 %. Die operative Marge lag im Jahr 2018 noch bei -10,8 %, stieg die letzten drei Jahre jedoch kontinuierlich an und liegt mittlerweile bei 11,5 %. Der operative Hebel der SaaS-Plattform macht sich bemerkbar und die Margen dürften in den kommenden Jahren weitersteigen. Für jeden Neukunden entsteht ein überproportional hoher Bruttogewinn, da mit neuen Kunden kaum neue Kosten entstehen. Mit den Produkten Security Coach und PasswordIQ, welche im zweiten Halbjahr 2022 erscheinen werden, dürfte das Wachstum nochmal anspringen.

Der Anteil der Kunden mit mehreren KnowBe4-Produkten lag im Jahr 2018 noch bei 1,2 %, stieg jedoch auf 22,1 % im Jahr 2021. Kunden mit mehreren Produkten sind eher geneigt bei KnowBe4 Kunde zu bleiben und dürften daher das Geschäftsmodell stabiler machen. Ich gehe davon aus, dass dieser Anteil in den kommenden Jahren noch weiter ausgebaut werden kann. Das Unternehmen ist unverschuldet und sitzt auf einem Cash-Bestand von 273,3 Mio. USD. Die Aktie ist derzeit mit einem KUV22 von 13,7 und dem 60-fachen des Free Cashflows bewertet. Der Gründer von KnowBe4, Stu Sjouwerman, ist nach wie vor der CEO des Unternehmens.

Tech-IPO Nr.2: Personal-Screenings, 30+ % Wachstum und KGVe von 11,3 


HireRight Holdings kam im Oktober 2021 an die Börse. Das Unternehmen hilft anderen Unternehmen bei der Personalbeschaffung und -auswahl. HireRight hat eine Plattform entwickelt, die in zahlreiche andere Anwendungen (wie Workday, ServiceNow, Oracle, u.a.) integriert werden kann und sogenannte “Personal-Screenings” anbietet. Über die Plattform können insgesamt rund 150 Screening-Dienstleistungen durchgeführt werden. Dazu zählen z.B. die Prüfung der Kreditwürdigkeit, das Abrufen von Bildungsnachweisen, Strafregister-Auskünfte sowie Identitätschecks. Mithilfe der Software-Plattform kann die HR-Abteilung genau nachvollziehen und verifizieren, ob die Bewerbungsunterlagen bzw. der Bewerber den Anforderungen entspricht.

Neben den Screening-Dienstleistungen kann die Plattform auch in den Bewerbungsprozess integriert werden. Bewerber haben somit die Möglichkeit Unterlagen einfach zu übermitteln, was den Bewerbungsprozess kostengünstiger macht und angenehmer gestaltet. Die Dienste von HireRight werden bereits in über 200 Ländern weltweit und in 22 verschiedenen Sprachen genutzt. Im vergangenen Jahr wurden über 110 Mio. Screenings für mehr als 40.000 Unternehmen durchgeführt. Zu den Kunden des Unternehmens gehören neben kleinen Unternehmen auch 50 % der Unternehmen aus der Fortune 100-Liste.

HireRight Holdings spielt einige Trends. Zum einen wollen viele Unternehmen in Zukunft mehr Geld für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Automatisierung im Bewerbungsprozess ausgeben. Laut Sapient Insights Research Group sind die Ausgaben von Unternehmen im Zusammenhang mit Technologie-Lösungen für die HR-Abteilung im Jahr 2021 um 57 % gestiegen. Neben steigenden Ausgaben dürfte auch der angespannte US-Arbeitsmarkt Unternehmen dazu anregen auf effizientere Lösungen zu setzen. In den USA gibt es derzeit über 11 Mio. offene Stellen und lediglich rund 5 Mio. Arbeitslose. Die Probleme qualifizierte Mitarbeiter zu finden, sind größer als je zuvor. HireRight kann bei Bewerbungsprozessen und Einstellungsverfahren helfen.

In den vergangenen Jahren hatte HireRight Probleme mit der Profitabilität. Allerdings deuten die letzten Quartalszahlen daraufhin, dass die Margen in Zukunft anziehen könnten. Im Q4-2021 stieg der Umsatz um 32 % auf 199 Mio. USD (Konsens: 183 Mio. USD) und die Retention Rate spiegelte mit 136 % eine hohe Kundenzufriedenheit wider. Beeindruckend finde ich, dass das internationale Geschäft, was bisher lediglich 15 % am Gesamtumsatz ausmacht, um 73 % wuchs. Das Management hat bereits gesagt, dass es sich auf Neukunden-Wachstum konzentrieren möchte. International dürfte es noch ordentlich Wachstumspotenzial geben.

Doch nicht nur der Umsatz verbesserte sich deutlich, auch das bereinigte EBITDA wuchs um 113 % auf 43 Mio. USD, sodass die bereinigte EBITDA-Marge von 13,5 % auf 21,5 % anzog. Der Gewinn je Aktie lag bei 0,32 USD (Konsens: 0,06 USD) und übertraf die Analysten-Erwartungen deutlich. Für das Gesamtjahr 2022 erwartet das Management einen Umsatz von 805-820 Mio. USD (+10-12 %) sowie einen Gewinn je Aktie von 1,32-1,45 USD (+7-17 %). Die Analysten rechnen mit einem Gewinn je Aktie von 1,38 USD (+452 %), was einem KGVe von 11,3 entspricht. Dies sieht auf den ersten Blick nach einer moderaten bis günstigen Bewertung aus.

Was man bei HireRight jedoch im Blick behalten muss, ist die Verschuldung. In der Bilanz wird ein Cash-Bestand von 111 Mio. USD bei einer Finanzverschuldung von 700 Mio. USD ausgewiesen. Die Finanzverbindlichkeiten sind zwar größtenteils langfristig, stehen allerdings keinen tatsächlichen Vermögenswerten gegenüber, da im Aktiv-Posten ein Goodwill von 819,5 Mio. USD verbucht wurde. Der Free Cashflow lag im Jahr 2021 bei 41,2 Mio. USD und der Zinsdeckungsgrad liegt bei unter 1. Das Management hat im Jahr 2021 zwar die Schuldenlast um 363 Mio. USD reduziert (durch die IPO-Erlöse i. H. v. 399 Mio. USD) und möchte mit Refinanzierungen die Zinslast senken, allerdings ist ein Zinsdeckungsgrad von unter 1 stets ein Warnsignal.

Beste Grüße,

Hinnerk Lührs

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