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Grahams letzter Schüler – Charles Brandes

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Warren Buffett schrieb 1984 das berühmte Essay „The Superinvestors of Graham-and-Doddsville“. Darin beschreibt er, wie Anhänger des Value Investing nach Ben Graham und David Dodd überdurchschnittliche Renditen über lange Zeiträume erzielten; zum Trotz der gängigen Wissenschaftsmodelle wie der Markteffizienzhypothese oder dem Capital Asset Pricing Model (CAPM). Ein weitere Einwohner von Graham-and-Doddsville ist Charles Brandes.

charles-brandesCharles Brandes wurde 1942 in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania geboren. Sein Geburtstag sowie Details seiner Kinder- und Jugendzeit sind nicht bekannt. Die Spur des Charles Brandes findet sich erst Anfang der 1960er Jahre wieder, als er sich an der Bucknell Universität in Lewisburg einschrieb, um dort Wirtschaft zu studieren. Seinen Bachelor-Abschluss bekam Brandes 1965 verliehen. Wenig später nahm er an einem CFA-Programm teil und erwarb den Titel des Chartered Financial Analyst.

Initialzündung dank Graham

Charles Brandes war nie ein Mann der Kälte. Schon immer zog es ihn in wärmere Gefilde. Daher verließ er nach dem Studium das kühle Pennsylvania und versuchte sein Glück stattdessen im Sonnenstaat Kalifornien. In San Diego absolvierte er ab 1968 eine Ausbildung zum Broker. 1971 spazierte der pensionierte Ben Graham in genau jenes Brokerhaus, indem auch Brandes tätig war, um dort Aktien der Firma National Presto Industries zu kaufen. Auch Graham wollte raus aus Kälte New Yorks. Charles Brandes' Aufgabe bestand an jenem schicksalhaften Tag darin, hereinkommende Personen zu begrüßen. So kamen beide ins Gespräch. In weiteren Treffen schilderte Graham dem jungen Brandes seine Ansichten und seine Herangehensweise ans Investieren. Charles Brandes war begeistert und kaufte sich die beiden Bücher von Benjamin Graham und David Dodd, um sein Wissen zu vertiefen. Drei weitere Jahre ging Brandes seiner Tätigkeit als Broker nach, hielt aber nach wie vor Kontakt zu Graham und feilte an seinen Fähigkeiten als Value Investor.

Brandes Investment Partners

1974 gründete Charles Brandes die Vermögensverwaltung Brandes Investment Partners. In einem Brief wünschte ihm der gesundheitlich bereits schwer angeschlagene Benjamin Graham alles erdenklich Gute für seine neue Tätigkeit. Fortan war Brandes als Value Investor unterwegs und gab erst im Februar 2018 die Zügel seiner Firma aus der Hand. Derzeit verwaltet das Unternehmen $28,9 Mrd. und gehört laut Thomson Financial zu den 10 besten Geldmanagern der Welt. Eigenen Angaben zufolge hat sein Flaggschiff-Fonds eine durchschnittliche jährliche Rendite von 19,21% über einen Zeitraum 20 Jahren erzielt. Diese Performance deklassiert den Vergleichsindex S&P500 um Längen.

Anlagestil

Brandes ist ein klassischer Value Investor á la Graham und Dodd. Er wendet eigenen Angaben zufolge ausschließlich die Prinzipien an, die in den beiden Büchern Security Analysis und The Intelligent Investor beschrieben werden. Allerdings beschränkte sich Brandes nicht nur auf den amerikanischen Aktienmarkt, sondern investierte bereits sehr früh in anderen Teilen der Welt. 1982 kaufte er sich seine ersten nicht-amerikanischen Aktien; Papiere eines Telekommunikationsdienstleisters aus Mexiko. Heute ist die Vermögensverwaltung rund um den Globus tätig. Auf der Webseite des Unternehmens beschreibt man die Anlagephilosophie als das Ausnutzen der Irrationalität des Marktes und kurzzeitiger Fehlpreisungen. Brandes und sein Team scheinen also ebenfalls nicht viel von der Markteffizienzhypothese zu halten.
Mr. Brandes gab auch eine interessante Studie in Auftrag, in welcher er das Börsensprichwort „Man soll in kein fallendes Messer greifen.“ untersuchen ließ. Dazu wurden Firmen herangezogen, deren Aktien in den vergangenen 12 Monaten mehr als 60% an Wert verloren hatten. Die Frage war, ob sich ein Investment in solche Titel lohnen würde. Das Ergebnis ist überraschend. Zwar gingen innerhalb der folgenden drei Jahre 13% der untersuchten Unternehmen tatsächlich pleite, aber mit den anderen Unternehmen konnte man nach drei Jahren durchschnittlich eine Rendite von 18% erzielen.

Charles Brandes privat

Brandes lebt in San Diego und hat laut Forbes ein Nettovermögen von $1,26 Mrd. Er war dreimal verheiratet und hat zwei Kinder. Die letzte Scheidung reichte er erst vor kurzem ein; nämlich im Januar 2018. Aufgrund dieser Kapriolen in seinem Privatleben zog er sich dann auch im Februar dieses Jahres aus seiner Firma zurück. Allerdings ist eine Rückkehr in absehbarer Zeit nicht auszuschließen.
Ansonsten hat Brandes ein recht teures Hobby: er sammelt Ferraris. In seiner Garage finden bis zu 37 der italienischen Sportwagen Platz. Brandes monatliche Ausgaben sind übrigens sehr hoch. Er muss nämlich seiner zweiten Frau Linda laut Gerichtsbeschluss monatlich $485.000,00 zahlen, um sie finanziell „zu unterstützen“. Für den Value Investor bleibt zu hoffen, dass das Gericht eine mildere Entscheidung hinsichtlich der Unterhaltszahlungen für seine dritte Exfrau Tanya trifft. Ansonsten wird er wohl bald den Status als Milliardär abgeben müssen.

Bonus: Auf der Internetseite von Brandes Investment Partners finden sich interessante Videos und Materialen, die sich mit dem Thema Geldanlage und Value Investing auseinandersetzen.

Zitate

- „Der Aktienmarkt ist von Natur aus irreführend. Das zu tun, was jeder andere tut, kann oftmals falsch sein.“
- „Sie erwischen sich dabei, wie in Aktien ein- und aussteigen, dabei ernähren sie die Broker anstatt sich selbst.“
- „Erstrebenswerte Dinge im Leben müssen verdient werden.“
- „Schnelle Lösungen sind wahrscheinlich gar keine Lösungen.“
- "Fundamentaldaten. Fundamentaldaten. Fundamentaldaten.“
- „Value-Leute mögen es nicht, für etwas zu viel zu bezahlen.“
- „Value Investing ist fast ein Synonym für Kapitalerhalt.“
- „Umso niedriger der Kaufpreis im Verhältnis zum Wert ist, desto niedriger ist das Risiko.“
- „Jede in Betracht gezogene Halteperiode geringer als ein normaler Wirtschaftskreislauf ist Spekulation.“
- „Investoren und Spekulanten gehen unterschiedlich an ihre Aufgabe heran.“
- „Manager, die lediglich durch Gehalt und Boni mit dem Unternehmen verbunden sind, rudern nicht im selben Boot wie Aktionäre.“
- „Du kannst nicht immer die Zukunft voraussagen.“
- „Der Markt ist die meiste Zeit über verrückt.“
- „Ich stehe in tiefer Schuld bei meinem Mentor, dem „Dekan des Investierens“, Mr. Benjamin Graham.“
- „Manche Investoren haben die Zügel der Vernunft abgeworfen. Stattdessen jagen sie goldenen Visionen, Modeerscheinungen, Alchemie oder den Sternen nach, um verzweifelt ihren Reichtum zu mehren.“
- „Die Märkte schwanken typischerweise zwischen den Extremen der Angst und der Gier; beides irrationale Gefühle, jenseits unserer Vorstellungskraft.“
- „Für viele ist Value Investing zu akribisch, zu langweilig und zu diszipliniert.“
- „Wenige werden den Kurs beibehalten, denn es gibt keine Spannung, keine Action, wenn man Eiern zusieht, die Jahre brauchen, um gekocht zu werden.“
- „Wenn ich mich mit Kleinanlegern unterhalten habe, war die bemerkenswerteste Eigenschaft ihre Tendenz, Segel auf den Ozeanen der Finanzwelt setzen zu wollen, lediglich bewaffnet mit einem Chart.“
- „Der Value Investor nutzt die emotionale Reise von einer Unter- zu einer Überbewertung.“
- „Ökonomen nutzen Nachkommastellen in ihren Vorhersagen, um ihren Sinn für Humor zu demonstrieren.“
- „Ein größerer Kuchen ist nicht zwangsläufig ein besserer Kuchen.“