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Guidewire – ein Schaufelverkäufer von KI in der Versicherungsbranche

aktien + Gereon Dregger 605 Leser

Guidewire ist ein führendes Unternehmen in der InsureTech-Branche und bietet fortschrittliche Analytics-Anwendungen für Versicherer in der Cloud an. Auf diese Weise profitiert man von der anhaltenden Modernisierung der Versicherungsbranche. Durch die zunehmende Integration von KI-Anwendungen in seine Software positioniert man sich zudem als Schaufelverkäufer der KI-Technologie. Der Umsatz des Unternehmens soll im nächsten Jahr knapp unter 1 Mrd. USD liegen, der Börsenwert beläuft sich auf 7,3 Mrd. USD.

Die Versicherungsbranche ist riesig und traditionsreich. Es ist ein Geschäft, das schon immer robust war und funktioniert hat. Einige große Versicherungsgesellschaften wie Allianz gibt es bereits seit über 130 Jahren. Die Nachfrage wird von der steigenden Weltbevölkerung, neuen Innovationen und dem Auftreten neuer Risiken getrieben. In den letzten 10 Jahren ist der nordamerikanische Markt für Schaden- und Unfallversicherungen etwa 3 bis 4 % pro Jahr gewachsen. Für diese Dekade rechnen diverse Marktforschungsinstitute mit einer Wachstumsrate von 6 %. Ein wesentlicher Treiber des Wachstums ist die steigende Nachfrage nach Cyberversicherungen. Mit dem technologischen Fortschritt der letzten Jahre werden Cyberangriffe immer ausgefeilter. Die Unternehmenswelt möchte sich aufgrund der verschärften Bedrohungslage durch entsprechende Versicherungen schützen. Große Versicherungsunternehmen konnten durch diesen Nischenmarkt zuletzt rasant steigende Prämieneinnahmen generieren.

Auch intern stehen für Versicherer große Veränderungen an. In der Debatte um das Transformationspotenzial von Künstlicher Intelligenz wurde die Versicherungsbranche sehr häufig genannt. Denn das Versicherungsgeschäft ist sehr datenlastig, weswegen äußerst vielfältige Einsatzmöglichkeiten bestehen. Durch die Schmälerung von Bearbeitungskosten und die Verbesserung der Schadenquoten könnte den Versicherern Geld gespart werden. Das Wegfallen ressourcenaufwendiger manueller Analyseverfahren verspricht hohe Effizienzgewinne. Um diese Vorteile realisieren zu können, werden Versicherer im ersten Schritt ihren Umgang mit Daten umstellen müssen. Zurzeit werden Daten gewöhnlicherweise über isolierte Geschäftsbereiche hinweg gesammelt und häufig unstrukturiert gespeichert. Beides erschwert den Einsatz von KI und Maschinellem Lernen maßgeblich. Um die benötigte Datenorganisation zu erhalten, ist eine Integration in die Cloud erforderlich. Die Cloud kann neben den Strukturierungsmöglichkeiten ebenfalls die notwendigen Anforderungen an die Rechenleistung erfüllen. Die Umstellung der Versicherungsbranche auf Cloud ist bereits seit Jahren im Gange. KI schafft nun den Anreiz, die Bemühungen zu intensivieren und noch umfangreichere Prozesse zu migrieren.

Guidewire bringt Versicherer in die Cloud und bietet innovative Lösungen zur Datenanalyse an

Die führende Cloudplattform der Versicherungsbranche ist die InsuranceSuite-Cloud von Guidewire. 12 der 15 größten Versicherer sind bereits Kunden und der Andrang ist beständig. Im Geschäftsjahr 2023 gab es 37 neue Cloud-Deals, was die gesamte Kundenzahl auf 300 bringt. Die Plattform deckt den gesamten Versicherungslebenszyklus ab. Der Fokus liegt auf dem sogenannten Underwriting (Prüfen von Anträgen, Risikobewertung, Vertragsabschluss) sowie der intelligenten Verarbeitung von Ansprüchen und Abrechnungen. Darüber hinaus bestehen fortschrittliche Möglichkeiten, was Datenanreicherung und Prognosemodellierung betrifft. KI kann beispielsweise zur Analyse vergangener Schadensdaten herangezogen werden, um zukünftige Schadensmuster vorherzusagen. Hierdurch entsteht ein Genauigkeitsvorteil, der über einen langfristigen Horizont signifikante Auswirkungen auf die Profitabilität eines Versicherers haben kann. Auch die Preissetzung kann durch KI besser informiert und effizienter gestaltet werden.

Durch Maschinelles Lernen lassen sich die Schaden- und Ausfallquoten der Versicherer verbessern

Guidewire hat für die Implementierung fortschrittlicher Machine-Learning-Programme eine Anwendung namens Predict geschaffen. Die Plattform kann zur Erstellung neuer Algorithmen oder dem Import bestehender verwendet werden. Die Modelle können dann ganz einfach in den operativen Alltag integriert werden, indem sie mit den anderen Verwaltungsplattformen verknüpft werden. Wer die Modelle beispielsweise in den Bearbeitungsprozess von Unfall- und Schadensansprüchen integrieren möchte, kann eine direkte Verknüpfung zu Guidewires ClaimCenter herstellen.

Guidewire bietet zudem eine Anwendung, die der optimierten Risikoauswahl dient. HazardHub ist ein System, das über 1400 Risikofaktoren für jede beliebige US-Adresse analysieren kann. Für eine angegebene Adresse werden historische Daten zur Frequenz von Unwettervorkommen, Erdbeben, Brandrisiken und vielen weiteren Faktoren analysiert. Ausgegeben werden verschiedene Scores und Risikorankings. Gerade die Einschätzung von Brandrisiken gilt als sehr wichtig, da die entstehenden Schäden besonders verheerend ausfallen können. Im Jahr 2019 kam es beispielsweise zu einem Waldbrand in Kalifornien, der Versicherungskosten in Höhe von 10 Mrd. USD verursacht hat. Um das Brandrisiko einer Adresse zu quantifizieren, analysiert HazardHub zahlreiche Variablen wie die Niederschlagsmenge, die Entfernung zu Vegetationsbrandstellen, Temperatureinflüsse und Windströmungen. Versicherer können durch die Applikation anstehende Versicherungsabschlüsse in Sekundenschnelle kategorisieren und eine systematische Risikoeinschätzung erhalten. Die Versicherungsprämien können an die Risikoscores angepasst werden.

Laut Guidewire basiert das System auf dem umfangreichsten Datensatz für Sachrisiken, den es in der Branche gibt. Einzigartige Datensätze wie dieser werden insbesondere mit der zunehmenden Bedeutung von KI zu einem langfristigen Wettbewerbsvorteil. Wie bei allen Anwendungen von Guidewire ist HazardHub auch über die anderen Plattformen verfügbar und kann zusätzlich über eine API in externe Programme integriert werden. Von den großen Softwaresystemen, in denen man Guidewires Anwendungen nutzen kann, ist besonders die Salesforce-Integration eine beliebte Wahl. Hierdurch können Versicherer das Beste aus beiden Welten verwenden.Beispielhafte Risikoeinschätzung von Guidewires HazardHub. (Quelle: Guidewire)

Computer-Vision-KI kann Ansprüche auswerten und Betrugsversuche aufdecken

Da in der Versicherungsbranche unglaublich viel Bildmaterial entsteht, ist Computer-Vision ein weiteres aussichtsreiches Anwendungsgebiet von KI. Hier kann die Technologie eingesetzt werden, um Bilder und Videos anhand intelligenter Analyseverfahren zu untersuchen. Jedes Mal, wenn jemand einen Versicherungsanspruch geltend machen möchte, müssen Nachweise erbracht werden. Bei einem Unfall muss der Schaden dokumentiert werden, bei gestohlenen Gegenständen nachgewiesen werden, dass sich der Gegenstand zuvor auch wirklich im Besitz der Person befand. Anhand des Bildmaterials müssen Versicherungsunternehmen diverse Faktoren überprüfen. Die angegebenen Schäden müssen verifiziert werden, es muss sichergestellt werden, dass das Bildmaterial auch tatsächlich das versicherte Objekt zeigt und etwaige Schäden nicht bereits in einem vorigen Schadensfall angegeben wurden. Um ausgeklügelte Betrugsversuche zu verhindern, muss zudem sichergestellt werden, dass es sich um kein heruntergeladenes Foto handelt und das Bildmaterial nicht durch Programme wie Photoshop verändert wurde. Das stellt Versicherungsunternehmen vor eine Herkulesaufgabe, die ohne moderne Technologie nicht zu stemmen ist.

Guidewire verfügt über diverse Plattform-Partner, deren innovative Systeme in Guidewires Plattformen integriert sind. Das Partnerunternehmen FRISS steuert eine KI-basierte Software zur Betrugserkennung bei. Der Mehrwert, der hierdurch geschaffen wird, ist groß. KI hat die Fähigkeit, in Sekundenschnelle Abgleiche zu vorigen Schadenseinreichungen durchzuführen, Bilder zu vergleichen und das Fotomaterial auf Betrugsmerkmale zu untersuchen. Auf diese Weise können betrügerische Ansprüche mit einer höheren Erfolgsrate herausgefiltert werden. Die KI kann zudem in kürzester Zeit die Ernsthaftigkeit eines Unfalls beurteilen und die Höhe des entstandenen Schadens schätzen. Ob der Schaden von einem bestehenden Versicherungsvertrag abgedeckt ist, kann zügig geklärt werden. Um Bildmaterial und Ansprüche einzureichen, sind innovative Apps auf dem Vormarsch, die den Prozess vereinfachen sollen. Chatbots stellen hierbei dem Betroffenen ein paar Fragen und erläutern dann, welche Dokumentationen eingereicht werden müssen. Wenn dann diverse Dokumente eingereicht werden, hat Guidewire eine integrierte Funktion, die automatisch die wichtigsten Informationen extrahiert und strukturiert darstellt. Anstatt unzählige Seiten durcharbeiten zu müssen, können Versicherer einfach über das Programm einen Überblick bekommen und dann bei Bedarf weiter in die Tiefe gehen. Durch diese Automatisierungsmöglichkeiten bei der Auswertung von Ansprüchen bleiben Versicherern hohe Bearbeitungskosten erspart.

Ein großer Vorteil von KI und Maschinellem Lernen in diesem spezialisierten Nischenbereich sind außerdem die Skaleneffekte. Die Technologie wird im Laufe der Zeit mit einer steigenden Datenmenge automatisch intelligenter, was die Nachfrage seitens Versicherungsunternehmen steigert. Es entsteht ein selbstverstärkender Kreislauf, durch den das Potenzial der Technologie automatisch maximiert wird.

Versicherungsunternehmen bieten ein attraktives Kundenprofil

Die Kombination aus All-in-One Cloudplattform und der Möglichkeit, modernste Technologien zu implementieren, zieht Versicherer auf der ganzen Welt zu Guidewire. Hierbei profitiert das Unternehmen von der schieren Größe und Konzentration des globalen Versicherungsmarktes. Die weltweiten Prämieneinnahmen bei der Schaden- und Unfallversicherung beliefen sich 2021 auf 2,7 Billionen USD und teilten sich auf etwa 2000 Versicherer auf. 80 % der Prämien entfallen auf die 400 größten Versicherungsunternehmen. Guidewire hat bei den Giganten der Branche bereits eine merkbare Marktdurchsetzung erreicht, die etwa 20 % der globalen Prämieneinnahmen entspricht. Die Konkurrenz von Guidewire ist dagegen zersplittert. Es gibt einige kleinere Wettbewerber, die ebenfalls innovative Konzepte anbieten, jedoch keine vergleichbare Durchschlagskraft haben. Der nächstgroße Wettbewerber ist Duck Creek Technologies und ist mit einem 2022er-Umsatz von 0,31 Mrd. USD nicht einmal halb so groß wie Guidewire. Dennoch wird es auch in der zweiten Reihe der InsureTech-Branche Gewinner geben. Das Unternehmen CCC Intelligent Solutions ist beispielsweise seit Jahren speziell auf KI-Lösungen für die Versicherungs- und Automobilbranche ausgerichtet und ist den meisten somit einen Schritt voraus.

Die Versicherungsbranche hat das attraktive Merkmal einer hohen Resilienz gegenüber wirtschaftlichen Zyklen. Historisch betrachtet waren die globalen Prämieneinnahmen lediglich in Einzelfällen geringfügig rückläufig und sind ansonsten in jedem Jahr gewachsen. Dementsprechend waren auch Guidewires Umsätze bemerkenswert stabil und konnten seit 2009 in jedem Jahr gesteigert werden. Die technologische Affinität der Versicherungsunternehmen erleichtert außerdem die Vermarktung der Produkte. Bei der Flexibilität der Versicherer gibt es dennoch Abstufungen – die alteingesessenen Versicherer gelten als weniger agil.

Die globalen Versicherungsprämieneinnahmen im Zeitverlauf. (Quelle: Guidewire)

Konkurrenzdruck zwingt Versicherungsbranche neue Konzepte zu adaptieren

Jedoch bestehen zurzeit selbst für konservative Anbieter diverse Anreize, neue Technologien zu adaptieren. Denn es liegt an verschiedenen Fronten Druck auf der Branche. Die Extremevents der letzten Jahre wie die Coronapandemie haben die Margen der Versicherer belastet. Zudem nimmt der Wettbewerb durch innovative Versicherungsangebote zu. Gerade eingebettete Versicherungen sind auf dem Vormarsch, wo Versicherungen direkt mit dem verkauften Produkt zusammen angeboten werden. Das hat den Vorteil, dass man viel mehr Kontrolle über die Preissetzung der Versicherung bei einzelnen Produkten und Lebensbereichen hat. Auch der Aufwand wird hierdurch minimiert. Da es für verkaufende Unternehmen ein ertragsreiches Nebengeschäft sein kann, ist beispielsweise Tesla bei eingebetteten Versicherungen aktiv und auch Amazon hat seine Angebote bei neuartigen Versicherungsangeboten ausgeweitet.

Der Konkurrenzdruck steigert die Bereitschaft, neue Technologien auszuprobieren. Um das vollständige Potenzial der vorhandenen Daten zu realisieren, werden KI und Maschinelles Lernen immer unausweichlicher, wodurch innovative Anbieter wie Guidewire schnell in die Konversation geraten. Über reine Effizienz- und Präzisionsverbesserungen hinaus prognostizieren namhafte Beratungsdienstleister wie McKinsey eine nachhaltige Transformation der Versicherungsbranche durch KI. Die grundlegende Art und Weise, wie Versicherungen verkauft und gepreist werden, könnte sich demnach vollständig verändern.

Aktive Versicherungen mit dynamischer Prämienanpassung auf dem Vormarsch

McKinsey stellt in einer Studie die These auf, dass Versicherungsangebote zukünftig vollständig individualisiert werden könnten. Schon bei dem heutigen technologischen Stand sammeln Versicherungen über die Jahre hinweg große Datenmengen über jeden Kunden. Da die Anzahl an verbundenen Geräten mit Datenübertragungsfunktion deutlich zunehmen wird, werden Versicherer zukünftig noch detailliertere Informationen gewinnen können. KI und Maschinelles Lernen können eingesetzt werden, um aus den großen Datenmassen wertvolle Informationen über die Bedürfnisse und das Verhalten der Kunden zu extrahieren. Das wird es den Versicherern erlauben, individuellere Angebote zu erstellen, was die Attraktivität der Angebote steigert. Laut McKinsey dürfte das ebenfalls zur Ausdifferenzierung des Angebotes führen. Für Lebensbereiche, die heute über eine einzige Versicherung geregelt sind, könnte es zukünftig mehrere Unterkategorien geben. Die Daten einer Person können außerdem genutzt werden, um die Historie im Handumdrehen einschätzen zu lassen und die Geschwindigkeit von Versicherungsabschlüssen maßgeblich zu steigern.

Des Weiteren könnte es auch zunehmend Versicherungsangebote mit dynamischer Anpassung der Versicherungsprämien geben. Ein klassisches Beispiel wäre, dass sich die zu zahlenden Versicherungsbeiträge für das Auto an die Verhaltensmuster des Fahrers hinsichtlich des Fahrstils, der Routenwahl, der Geschwindigkeit und der durchschnittlichen Fahrtlängen anpasst. Experten gehen davon aus, dass solche aktiven Versicherungsprodukte die heutigen statischen Verträge im Laufe der Zeit ablösen werden. Eine nutzungsbasierte Bepreisung hätte den Vorteil, dass nicht alle unabhängig von ihrem Lebensstil für gewisse Risikofaktoren aufkommen müssten. Das größte Hindernis dürften die umfangreichen datenschutzrechtlichen Implikationen sein, die diverse Hürden mit sich bringen.

Guidewire auf Profitabilitätskurs – 4. Quartal liefert positive Indikationen

Die strukturellen Veränderungen der Versicherungsbranche stellen Guidewire in eine vorteilhafte Position und ermöglichen ein Fortschreiten des Drei-Schritte-Plans des Unternehmens. Der erste Schritt war es, eine skalierbare Cloudarchitektur zu etablieren. Gemessen an der Nachfrage von Tier-1-Versicherern ist das gelungen. Im zweiten Schritt sollen Adaption und Umsätze in die Höhe getrieben werden, im dritten Schritt Effizienz- und Margenverbesserungen folgen. Wenngleich die Adaptionsphase noch nicht abgeschlossen ist, richtet Guidewire den Fokus inzwischen zunehmend auf die Profitabilität. Im 4. Quartal waren die Fortschritte deutlich erkennbar. Der Umsatz wuchs um 10 % auf 270 Mio. USD, parallel kam es zu deutlichen Margenverbesserungen. Momentum gab es laut Aussagen des CEOs in allen Regionen. Auf das Gesamtjahr betrachtet war besonders die Entwicklung der wiederkehrenden Umsätze bedeutend. Mit einer Wachstumsrate von 15 % sind sie auf 763 Mio. USD angestiegen und veranschaulichen den Fortschritt  an der Cloud-Front.  

Der Umsatz wurde seit 2009 in jedem Jahr gesteigert. Die Profitabilität litt in den letzten Jahren unter hohen Investments in die Cloud-Infrastruktur.

Es zeichnet sich seit 2022 der Trend ab, dass die wiederkehrenden Umsätze bei der Cloud deutlich stärker als die Umsatzkosten ansteigen. Das stellt einen Rückenwind für die Profitabilität dar. Nachdem Guidewire aufgrund hoher Investitionskosten in den letzten Jahren negative Gewinnmargen hatte, wurde das 4. Quartal erstmalig wieder mit einer positiven operativen Marge und einem positiven EPS abgeschlossen. Auch in den nächsten Jahren sollen die Kosten konstant gehalten und nur noch kontrolliert angehoben werden. Das soll es ermöglichen, den Umsatz im Vergleich zur Kostenbasis weiterhin überproportional zu steigern. Auch Analysten von Morningstar und Stifel rechnen von nun an mit deutlichen Verbesserungen der Gewinnmargen. Die Konsensschätzungen gehen davon aus, dass Guidewire im Jahr 2026 wieder Gewinne erzielen wird. Angesichts der jüngsten Entwicklung und dem positiven Ausblick für das Unternehmen könnte diese Schätzung zu konservativ sein. Umsatzseitig suggerieren die Konsenserwartungen für die nächsten drei Jahre eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von knapp 12 %. Damit würde sich der langfristige stabile Wachstumstrend des Unternehmens fortsetzen und eine Beschleunigung gegenüber den vorigen Jahren erfolgen. Der Ausblick von Guidewire auf 2024 gibt für den Gesamtumsatz eine Spanne von 976 bis 986 Mio. USD an. Der operative Verlust soll zwischen 90 und 100 Mio. USD ausfallen.

Wichtige Kennzahlen zur Guidewire-Cloud. (Quelle: Guidewire)

Unternehmen mit geringem Capex laufen Gefahr, disruptiert zu werden

In der Bilanz von Guidewire befinden sich liquide Mittel in Höhe von 800 Mio. USD, während sich die Gesamtverbindlichkeiten auf 828 Mio. USD belaufen, ein Großteil hiervon sind langfristige Schulden. Damit ist die Bilanz von Guidewire solide und man verfügt über die finanziellen Mittel, weitere Investments zu tätigen. Die Finanzkraft eines Unternehmens stellt einen häufig außeracht gelassenen Aspekt bei der Debatte um KI-Profiteure dar. Obwohl es sich um ein simples Kriterium handelt, ist es hilfreich, da die Investmentkapazität darüber entscheidet, in welchem Maß ein Unternehmen die Chancen der neuen Technologie wahrnehmen kann. Wenn von zwei vergleichbaren Unternehmen eines erheblich mehr investieren kann, wird es langfristig einen technologischen Vorsprung erlangen. Unternehmen mit schwachen Gewinnmargen und geringfügiger Capex-Kapazität, werden es dagegen schwer haben, die notwendigen Investments zu tätigen und Marktanteilsverluste verzeichnen. Die Starken, die ohne Probleme größere Summen investieren können, werden durch technologischen Fortschritt noch stärker.

Das trifft ebenfalls auf das Vorhandensein einzigartiger Datensätze zu – ohne diese besteht keine Möglichkeit, sich durch KI einen wahrhaftigen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Andererseits gibt es auch Unternehmen, die seit Jahrzehnten eigenständig detaillierte Informationen sammeln, während die Konkurrenz sich mit standardisierten Datensätzen zufrieden gibt. Sie werden im Stande sein, ihre Marktstellung weiter auszubauen. Zu den offensichtlichen Profiteuren gehören Techgiganten wie Microsoft, Google und Meta, die über eine vorteilhafte Kombination an einzigartigen Daten, technologischem Vorsprung und umfangreicher Investmentkapazität verfügen. Auch Plattformanbieter wie Amazon sollten in der Lage sein, das Kundenerlebnis durch KI und Maschinelles Lernen maßgeblich zu verbessern.

Aktie ist mit 7er-KUV kein Schnäppchen

Die Aktie von Guidewire wird mit einem KUV24e von 7,44 gehandelt. Damit ist die Aktie in absoluten Werten teuer – gerade, wenn man beachtet, dass das Unternehmen noch nicht profitabel ist. Aufgrund der starken Marktstellung und den vorteilhaften Aussichten hat der Markt der Aktie aber schon immer eine hohe Bewertung zugestanden. Da die Bewertung in den letzten zwei Jahren zurückgekommen ist, ist die Aktie im historischen Kontext sogar eher günstig gepreist. Insgesamt ist die Bewertungssituation daher neutral zu werten, was im Einklang zu diversen aktuellen Analysteneinschätzungen steht, die die Aktie für fair bewertet halten. Optimale Voraussetzungen für ein langfristiges Investment bestehen bei einem 7er-KUV aber nicht.

Fair-Value-Umsatz (3-Jahre)

Wichtige Kennzahlen im Überblick. (2024 bis 2026 sind Konsensschätzungen.) 

 

Fazit

Guidewire ist der primäre Gewinner der Modernisierung der Versicherungsbranche. Das Unternehmen steht vor einer Dekade des Wachstums und der Margenexpansion. KI- und maschinelle Lernfunktionen werden zunehmend in die Softwareanwendungen integriert und versprechen merkbare Effizienz- und Präzisionsvorteile für Versicherer. Das macht Hoffnung, was die Investitionsbereitschaft der Branche betrifft. Der zunehmende Fokus auf Profitabilität trägt bereits erste Früchte für Guidewire – im Optimalfall setzt sich dieser Trend in den nächsten Quartalen fort. Die Aktie hat Potenzial, bietet aber aufgrund der Bewertung keine idealen Einstiegsbedingungen für langfristige Investments. Für aktive Investoren lohnt sich der Einstieg zusammen mit einem klar definiertem Ausstiegsszenario.

Kompakt: Vier wichtige Fakten zur Aktie von Guidewire:

  1. Guidewire hat mit InsuranceSuite die führende Cloudplattform für Versicherer.
  2. Die Versicherungsbranche zählt zu den datenlastigsten. Das Optimierungspotenzial durch KI ist sehr groß.
  3. Durch Maschinelles Lernen lassen sich Präzisionsvorteile bei der Risikobewertung erzielen.
  4. Die aktuellen Entwicklungen bei Umsatz und Gewinnmargen sind ermutigend und machen Hoffnung, dass die Profitabilität schon vor 2026 erreicht werden könnte.

 

Viele Grüße 

Gereon Dregger

 


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