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Kaufen, wenn die Kanonen donnern!

Kommentare Michael Seibold 3.277 Leser

Die Aktionäre von Wirecard (WKN: 747206) haben ein bewegtes Börsenjahr 2019 hinter sich. Wiederholte Vorwürfe der “Financial Times“ haben dem Papier des DAX-Konzerns mehrfach zugesetzt und waren hauptverantwortlich für das schlechte Abschneiden der Aktie. Mittlerweile haben sich auch andere Zeitschriften zu Wort gemeldet. Dabei solle der Konzern Verkäufe und Profite in Dubai, Singapur und Irland frisiert haben, um die Bilanz sowie den Cashflow künstlich aufzublähen. Auch wird dem deutschen Zahlungsdienstleister neuerdings vorgeworden, dass dieser für die Bilanz 2017 auf Treuhandkonten geparkte Gelder zu den Barreserven hinzugerechnet haben soll. Dass die Investoren so empfindlich auf die Meldungen reagieren ist zum einen dem geschuldet, dass Wirecard bereits in der Vergangenheit sich einige Vorwürfe anhören musste, zum anderen aber auch dem, dass das Unternehmen mittlerweile in den DAX aufgestiegen ist und damit das institutionelle Interesse noch größer als zuvor ist. 2016 hat eine Studie dem Zahlungsdienstleister Geldwäsche unterstellt, sogar Betrugsvorwürfe gegen die Kreditkartenfirma Mastercard standen im Raum – Vorwürfe, gegen die der Konzern mit Recht vorgeht (und für die bisher auch noch keine Beweise erbracht worden sind). Auch wenn die Anschuldigungen in keinerlei Hinsicht nachgewiesen werden konnten, so schwebt das Schwert wie Damokles über Wirecard.

Nichtsdestotrotz war das Jahr 2019 geprägt von operativen Highlights, weiterem Wachstum sowie spannenden neuen Kooperationen.

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https://ir.wirecard.com/download/companies/wirecard/Presentations/WDI_Investor_Presentation_9M2019.pdf

Dazu ist mir ein Zitat vom früheren deutschen Bankier Carl Mayer von Rothschild eingefallen, der einmal gesagt hat: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen.“ Dabei geht es kurz ausgedrückt um antizyklisches Investieren, also genauer um das Handeln entgegen der breiten Masse.

Operative Highlights

Der weltweit führende unabhängige Anbieter von Outscourcing- und White-Label-Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr konnte neben der reinen Menge der vielen neuen Partnerschaften auch mit Qualität bestaunt werden. Mit Aldi, Playmobil, Ikea, der Orange Bank und dem chinesischen Zahlungsanbieter Yeepay werden nur einige prominente Namen genannt. Mit dem Einstieg der Softbank im April über eine Wandelanleihe möchte Wirecard den Weg in weitere asiatische Märkte ebnen und leichteren Zugang zu den Beteiligungen des Tech-Konzerns gewähren. Die Portfolio-Firmen Auto1, Oyo und Brightstar sowie neuerdings die Buchungsplattform GetYourGuide für Touren, Aktivitäten und Sightseeing-Tickets konnte Wirecard bereits für sich gewinnen. Mein größtes Highlight für die kommenden Wochen und Monate ist in meinen Augen aber nämlich der erst vor kurzem bekannt gewordene Schritt, dass Wirecard mit einem attraktiven Zinsangebot von 0,75 % p.a. auf Girokonten-Guthaben mit den Bankdienstleistern konkurrieren möchte. Dies könnte zu einem bedeutenden Wachstum im Bereich der Privatkunden führen und ein zweites Standbein für das Unternehmen bringen. Dadurch könnte Wirecard neben der reinen Zahlungsdienstleistung auch so etwas wie eine digitale, innovative Bank 2.0 werden, bei der dann auch beispielsweise Versicherungen und andere Dienstleistungen abgeschlossen werden können.

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https://ir.wirecard.com/download/companies/wirecard/Presentations/WDI_Investor_Presentation_9M2019.pdf

Wachstum, Wachstum, Wachstum

Operativ läuft es für den Zahlungsdienstleister aus Aschheim wie geschmiert. Wirecard konnte erneut mit seinem Zahlungswerk überzeugen und wieder einmal mit deutlich zweistelligen Wachstumsraten glänzen. Allein für die ersten neun Monate des aktuellen Geschäftsjahres 2019 konnte Wirecard die Umsätze um 37 % auf 1,94 Mrd. Euro steigern. Das Transaktionsvolumen stieg dabei um 37,7 % auf gigantische 124,4 Mrd. Euro für die ersten neun Monate. Auch beim Gewinn kann der Zahlungsdienstleister mit einem EBITDA von 553,1 Mio. Euro überzeugen und wird dabei immer profitabler. Das Wachstum dürfte auch weiterhin in Anbetracht der Prognosen im kommenden Börsenjahr 2020 anhalten und sogar ein operatives Ergebnis in Milliardenhöhe liefern. Langfristig möchte das Management bis zum Ende des Geschäftsjahres 2025 ein Transaktionsvolumen von 810 Mrd. Euro, Umsätze in Höhe von 12 Mrd. Euro und ein Ergebnis von 3,8 Mrd. Euro erreichen. Definitiv eine erstaunliche Prognose, die laut CEO Markus Braun sogar schon mit dem Wörtchen konservativ belegt worden ist.

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https://ir.wirecard.com/download/companies/wirecard/Presentations/WDI_Investor_Presentation_9M2019.pdf

Globale Megatrends

Globale Megatrends, von denen Wirecard profitieren könnte und einen Enfluss auf den elektronischen Zahlungsverkehr haben sind v.a. der Bereich Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge (IOT), Finanzielle Inklusion, Internationalisierung und grenzüberschreitende Zahlungen sowie nahtloses Kundenerlebnis
Mit Hilfe der KI können elektronische Zahlungsprozesse und das Kaufverhalten von Konsumenten deutlich optimiert werden. Auch das Internet der Dinge mit im Jahr 2020 geschätzten 30 Milliarden verbundenen Geräten ermöglicht komplett neue Innovationen. Dabei könnten auch Geräte untereinander kommunizieren und über eine Schnittstelle zur Bezahl-App automatisiert Transaktionen abschließen. Es gibt immer noch ca. zwei Milliarden Menschen, die kein eigenes Bankkonto haben. Diese Menschen können jedoch beispielsweise über das Mobiltelefon durch neue moderne Finanzangebote angesprochen werden. Dazu passt Wirecards neue Smartphone-Bank Boon Planet.

AlleAktien Qualitätsscore (AAQS) 10 von 10 Punkten

Der AlleAktien Qualitätsscore (AAQS) wurde von Jonathan Neuscheler am 29. Dezember 2018 vorgestellt.Jede Aktie wird bei diesem Scoring-System mit einer Punktzahhl von 0 bis 10 bewertet. Außerdem wird jede Aktie in insgesamt vier Bereiche eingeteilt: nachhaltiges Wachstum, geringe Risiken, hohe Kapitalrendite und günstige Bewertung. Dabei geht es um langfristiges Investieren. In dieser Analyse erreicht Wirecard 10 von 10 Punkten und kann bei jeder dieser Qualitätsmerkmale punkten.

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(Tipp: Der AlleAktien Qualitätsscore lässt sich in der Software aktien RANKINGS abrufen)

Fazit

Wirecard konnte in diesem Jahr definitiv mit einigen Highlights aufwarten. Sowohl die Kooperationen als auch die operativen Ergebnisse lassen einen Rückschluss auf starkes Wachstum zu. Sollte wieder etwas Ruhe in den DAX-Konzern einkehren, wäre der Aktienkurs 2020 für einen Turnaround bereit. Da eine in Aussicht gestellte Sonderprüfung von KPMG im Fall “Financial Times“ wohl erst innerhalb des ersten Quartals erwartet wird, wird die Unsicherheit vermutlich noch die ersten Wochen und Monate des kommenden Börsenjahres 2020 einnehmen. Eine erste Widerstandszone im Chart wäre das Erreichen des Hochs vom 13. Dezember im Bereich 108,75 Euro. Ich gehe von einer weiteren Ansteuerung des Zwischenhochs bei 126 Euro aus. Anschließend ist die nächste Hürde die 160-Euro-Marke, die der Ausgangspunkt der jüngsten Baissebewegung der Wirecard-Aktie war. Zum Ende noch ein Zitat von Warren Buffet, bei dem es darum geht, den Einkaufspreis so niedrig wie möglich zu halten: “Verlass dich niemals darauf, einen guten Verkaufspreis zu erzielen. Halte den Einkaufspreis so niedrig, dass selbst ein mittelmäßiger Verkauf ein gutes Ergebnis bringt“.

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Liebe Investoren, ich wünsche Ihnen einen guten Start ins neue Jahr.

Bis zur nächsten spannenden Story,

Michael Seibold


Bildherkunft: https://unsplash.com/photos/gBhc1m9EHDE