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Neue Rekorde beim SDAX und Russell 2000 zeigen es: Anleger sollten sich von politischen Krisen nichts ins Bockshorn jagen lassen

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Wie meistens in den vergangenen Jahren gibt es auch aktuell wieder einige politische Risiken, welche Anleger vom Investieren abhalten könnten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang nur die Gefahr eines Handelskrieges, eines sich zuspitzenden Streites der USA mit dem Iran oder ein Wiederaufflammen der EU-Krise wegen der Regierungsbildung durch Populisten in Italien. Unbeeindruckt davon sind die Nebenwerteindizes SDAX in Deutschland und Russell 2000 in den USA auf neue Bestmarken vorgerückt, Das ist ein Kursverhalten, das nahelegt, dass Aktienkurse sich oft losgelöst von schwierigen politischen Rahmendaten entfalten.

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Das ist ein Schluss, zu dem auch Dr. Martin Hüfner, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Assenagon, kommt. In einer aktuellen Einschätzung schreibt er jedenfalls folgendes: Mehr als sonst ist in den Börsenkommentaren in diesem Jahr nicht nur von ökonomischen Faktoren die Rede. Immer mehr Raum wird den politischen Krisenherden in der Welt eingeräumt. Da geht es um Iran und Israel, um die Türkei, um China und Nordkorea und um Protektionismus und Populismus. Das entspricht der allgemeinen Gefühlslage der Anleger. Ist es aber auch richtig? Haben politische Faktoren für die Märkte derzeit wirklich eine so große Bedeutung?

Doch Hüfner setzt hinter alledem ein paar Fragezeichen, nachdem er sich die Zusammenhänge etwas genauer angeschaut hat. In der Grafik hat er dabei die Entwicklung des US-Aktienmarktes (jeweils Veränderungen zum Vorjahr) seit dem Zweiten Weltkrieg mit wichtigen Krisen in der Welt in Verbindung gebracht. Es zeigt sich laut Hüfner, dass die politischen Krisen die Aktienmärkte weit weniger durcheinanderwirbeln als vermutet.

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Einige historische Beispiele

Der größte Einbruch am Aktienmarkt bisher war die Sub¬prime-Krise in den USA in den Jahren 2008/2009. Sie war allein wirtschaftlich bedingt und hatte nichts mit geopoliti¬schen Veränderungen zu tun. Die Politik kam nur insofern ins Spiel, als sie später ein Ausufern der Krise verhinderte.

Bei der zweitgrößten Krise ist die Sache nach Einschätzung von Hüfner nicht so eindeutig. Bewirkt wurde sie durch die drastische Anhebung der Öl¬prei¬se, die zu einer Explosion der Inflation, einer starken Er¬höhung der Zinsen und einer weltweiten Rezession führ¬te. Die Ursache der Ölpreisanhebung hatte gemäß Hüfner freilich viel mit den politischen Veränderungen im Nahen Osten (u. a. Jom Kip¬pur Krieg) zu tun.

Große politische Krisen dagegen wie der Koreakrieg An¬fang der 50er Jahre, der Vietnamkrieg in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts oder die Kubakrise, die im Okto¬ber 1962 fast zu einem Atomkrieg geführt hätten, hätten für die Aktienmärkte dagegen kaum eine Rolle gespielt.

In den zweieinhalb Mo¬naten des zweiten Irakkriegs 2003 sei der S&P 500 nicht ge¬fallen, sondern um fast 5 % gestiegen. In der Kubakrise des Jahres 1962 habe er praktisch gar nicht reagiert. Anfang des Jahrtausends, als es neben den Anschlägen auf das World Trade Center in New York auch noch das Platzen der New Economy-Krise gab, sei der S&P in der Spitze um et¬was mehr als 25 % zurückgegangen. Das sei verglichen mit der Bedeu¬tung der dahinter stehenden Mega-Events relativ wenig, so Hüfner.

Politik und Wirtschaft mit eigenstän¬digen Regelkreisen

Das alles bestätige die alte Weisheit: Politische Börsen ha¬ben kurze Beine. Sie führten manchmal zu großer Aufre¬gung und Untergangsszenarien. In den allermeisten Fällen zeige sich dann aber, dass Wirtschaft und Börsen da¬von nicht stärker tangiert werden. Aktien würden in erster Linie durch wirtschaftliche Dinge wie Konjunktur, Inflation, Geldpolitik und Wechselkurse bestimmt. Politische Faktoren kämen nur insofern ins Spiel, als sie diese Variablen nachhaltig be¬einflussen. Das sei seltener der Fall als man annimmt. Politik und Wirtschaft seien zu einem großen Teil jeweils eigenstän¬dige Regelkreise.

Auch der Goldpreis reagiere auf geopolitische Krisen weni¬ger als vermutet. In jedem Fall lasse sich die These, dass der Goldpreis ein verlässliches Krisenbarometer ist, mit den Fakten nicht belegen.

Geopolitischen Risiken erhöhen die Volatilität

Können wir geopolitische Ereignisse also vergessen, fragt Hüfner? Nein, lautet seine eigene Antwort darauf, denn zum einen gebe es immer wieder große geopolitische Ereignisse, welche die Welt verän¬dern und deren Einfluss sich auch die Finanzmärkte nicht entziehen könnten. Dazu verweist er als Beispiele auf die Ölpreiskrisen in den 70er und 80er Jahren. Zum anderen seien geopolitischen Risiken eine Art von Kosten, welche die wirtschaftliche Aktivität insge-samt belasteten und auf die Finanzmärkte abstrahlten. Ein Beispiel dafür sei der aktuelle Trend zu mehr Protektionismus.

Umgekehrt entwickelten sich die Börsen umso besser, je ruhiger das weltwirtschaftliche Umfeld ist. Beispiele hierfür sind für Hüfner etwa die positive Entwicklung in den 90er Jahren, die auch mit den vergleichsweise geringen Spannungen nach dem Fall des Eisernen Vorhanges zusammenhing.

Im Übrigen erhöhten die geopolitischen Risiken natürlich die Volatilität an den Märkten. Investoren stellten Projekte vorü¬bergehend zurück. Anleger sicherten ihre Positionen ab. Bes-tes Beispiel dafür sei die Unsicherheit, die von dem Verhal¬ten des US-Präsidenten Trump ausgehe. Die Unsicherheiten über den Ausgang der Brexit-Verhandlun¬gen belasteten die britischen Börsen.

Fazit aus Anlegersicht

Investoren rät Hüfner zusammenfassend dazu, sich von politischen Krisen und Veränderungen nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Nur weil man politische Verän¬derungen nicht mag (etwa weil man eine andere Meinung hat), heiße das noch lange nicht, dass sie auch schlecht für die Finanzmärkte seien.

Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA hätten viele nicht gemocht. Für die nüchtern kalkulierenden Finanzmärkte war aber die Ein¬schätzung entschei¬dend, dass dadurch die Gewinne der Un¬ternehmen steigen könnten. „In diesem Jahr wird es we¬gen der vielfältigen geopolitischen Unsicherheiten geringere Kurssteigerungen und höhere Volatilität geben, aber keinen größeren Absturz bei den Kursen," sagt Hüfner voraus.
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