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Professor, Prostituierte und Schöpferische Zerstörung – Joseph Schumpeter

Artikel, Zitate und Personen Nick Thomas 2.912 Leser

Er wollte der größte Ökonom der Welt, der erste Reiter Österreichs und der beste Liebhaber Wiens sein. Zwei dieser Ziele hatte er eigenen Aussagen zufolge erreicht. Leider erbte er einen schlechten Sattel. Diesen Kalauer gab Joseph Schumpeter gern zum Besten. Lesen hier die Geschichte eines Mannes, der seiner Zeit weit voraus schien und zu den größten Ökonomen des vergangenen Jahrhunderts zählte.

joseph-schumpeterJoseph Alois Schumpeter wurde am 08. Februar 1883 in Triesch, Österreich-Ungarn, als einziger Sohn eines Tuchfabrikanten geboren. Sein Vater Josef starb bereits fünf Jahre nach seiner Geburt, woraufhin seine Mutter Johanna mit ihm nach Graz und weiter nach Wien zog. Dort machte Joseph Schumpeter sein Abitur und nahm im Anschluss ein Studium des Rechts und der Ökonomie an der Universität Wien auf. Er beendete sein Jurastudium 1906 als Doktor des Rechts und absolvierte ein Auslandsjahr in England, wo er verschiedene Eliteuniversitäten wie die London School of Economics, Oxford und Cambridge besuchte. 1907 zog es den Absolventen nach Kairo, wo er für den internationalen Gerichtshof praktizierte. Im Herbst 1909 wechselte er als Rechtsdozent an die Universität Czernowitz. Ab 1911 lehrte er an Universität Graz und wurde dort 1916 zum Dekan der juristischen Fakultät ernannt. Zwischenzeitlich lehrte er ein Jahr an der Columbia Universität in New York.

Tapetenwechsel

1919 wurde Schumpeter für 9 Monate Finanzminister Österreichs. Allerdings war sein extravaganter und ausschweifender Lebensstil für die Regierung nicht tragbar. So soll er des Öfteren mit Prostituierten in einer offenen Kutsche gesehen worden sein. Außerdem feierte er rauschende Partys. Nach einer kurzen Rückkehr an die Uni wurde Joseph Schumpeter 1921 Präsident der Biedermann & Co. Bankaktiengesellschaft in Wien. Er agierte dort als Investmentbanker und spekulierte mit geliehenem Geld in diversen Assetklassen. Er baute sich ein Vermögen auf, dass 1924 von der Wirtschaftskrise zerstört wurde. Mit dem Vermögen ging auch sein Posten dahin.

Hochverschuldet kehrte Schumpeter 1925 ans Lehrerpult zurück und lehrte an der Universität Bonn wirtschaftliche Staatswissenschaft. Im selben Jahr nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an und heiratete ein zweites Mal. Seine Frau war die Tochter seines Hausmeisters aus Kindertagen: Anna Josefina Reisinger. Leider verstarb diese bereits im August des Jahres 1926 bei der Geburt des gemeinsamen Sohnes. Auch der Sprössling verstarb kurz nach der Geburt.

Harvard

Nach drei Gastprofessuren in den zwanziger und dreißiger Jahren wechselte Joseph Schumpeter 1932 gänzlich über den Teich nach Harvard und blieb dort bis zu seinem Lebensende. 1937 heiratete er ein drittes Mal: er nahm die Amerikanerin Elizabeth Boody Firuski zur Frau. Die Ehe bleib kinderlos. In Harvard führte er die Vorlesung Mathematische Wirtschaftstheorie ein und hielt diese auch selber. Einer seiner bekanntesten Schüler war der spätere Nobelpreisträger Paul A. Samuelson. Von Depressionen geplagt vertiefte sich Schumpeter immer weiter in seine Arbeit und war für seine brillante Forschung sowie für seinen harten und fordernden Unterricht bekannt. Er starb 1950 an einem Schlaganfall.

Schöpferische Zerstörung

Schumpeter schrieb sehr viele Bücher, deren Aufzählung hier nicht zielführend wäre. Sein wohl bekanntestes und für Börsianer wichtigstes Buch ist Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942). Hier beschreibt Schumpeter detailliert, was er in anderen Werken bereits erwähnte, nämlich den Prozess der Schöpferischen Zerstörung. Um die Kernaussage wiederzugeben, möchte ich mich bei verschiedenen Quellen bedienen. So schreibt Wikipedia: „Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prozess der schöpferischen Zerstörung auf. Durch eine Neukombination von Produktionsfaktoren, die sich erfolgreich durchsetzt, werden alte Strukturen verdrängt und schließlich zerstört. Zerstörung ist notwendig, damit Neuordnung stattfinden kann.“
Prägnanter formuliert es der Spiegel: „Kapitalismus ist Unordnung, die fortwährend durch innovative Unternehmer mit neuen Ideen in den Markt getragen wird. Aus dieser Unordnung entsteht Fortschritt und Wachstum.“
Mit der schöpferischen Zerstörung lassen sich grundlegende Veränderungen der Wirtschaftsgeschichte erklären, von denen wir noch heute profitieren. So ersetzte beispielsweise das Auto die Kutsche oder der iPod den Walkman. Aktuell sehen wir, wie Amazon den Einzelhandel aufmischt oder Netflix & Co. den Fernsehsendern das Leben schwer macht. Schumpeter sagt, dass sich die Wirtschaft permanent weiterentwickelt und ständig in Bewegung ist. Revolutionäre Erfindungen und ruckartige Innovationsschübe sorgen dafür, dass alte Strukturen aufgebrochen und durch neue ersetzt werden.
Für Börsianer ist die Schöpferische Zerstörung immens wichtig, da sich mit Unternehmen, die Innovationen vorantreiben, große Gewinne erzielen lassen. Nicht umsonst ist ein schöpferischer Zerstörer wie Apple das derzeit wertvollste Unternehmen der Welt.

Zitate

- „Bürokratie ist keine Hürde für die Demokratie, aber ein unvermeidliches Komplementär.“
- „Aufgrund seiner Zivilisation kreiert, lehrt und unterstützt der Kapitalismus unweigerlich ein Eigeninteresse an sozialen Unruhen.“
- „In einer kapitalistischen Gesellschaft geht wirtschaftlicher Fortschritt mit Unruhen einher.“
- „Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve.“
- „Innovation ist die Markteinführung einer technischen oder organisatorischen Neuheit; und nicht nur die Erfindung.“
- „Das Alte auf eine neue Weise tun – das ist Innovation.“
- „Entscheidende Motive für wirtschaftliches Wachstum sind gerade in Stagnations-Phasen herausragende Basis-Erfindungen: sie sind die Impulse für Anschluss-Innovationen in breitem Umfang.“
- „Ideen sind immer Kinder der Not.“
- „Intellektuelle sind Leute, die die Macht des gesprochenen und des geschriebenen Wortes handhaben.“
- „Wachstum ist ein Prozess schöpferischer Zerstörung.“
- „Die Praxis von heute ist die Theorie der Großväter.“
- „Die schlimmsten Feinde sind die, die sich als Freunde bei uns eingeschlichen haben.“
- „Im Prozess der schöpferischen Zerstörung entstehen Situationen, in denen viele Firmen sterben, die nichtsdestotrotz in der Lage gewesen wären, eifrig und nützlich fortzubestehen, wenn sie diesen einen Sturm überstanden hätten.“
- „Im Herzen des Kapitalismus liegt schöpferische Zerstörung.“
- „Erfolg basiert auf der Intuition, zu sehen, was sich im Nachhinein als richtig herausstellt, aber im Moment noch nicht nachgewiesen werden kann.“
- „Ich brach auf, um der beste Liebhaber in Wien, der beste Reiter in Österreich und der beste Ökonom der Welt zu werden. Leider, den Illusionen der Jugend zum Trotz, war ich als Reiter nie erstklassig.“
- „Politiker sind wie schlechte Reiter: sie sind so sehr damit beschäftigt im Sattel zu bleiben, dass sie nicht mehr darauf achten, wo es eigentlich hingeht.“
- „Wir planen immer zu viel und denken zu wenig.“
- „Gentlemen, eine Depression ist für den Kapitalismus wie eine gute, kalte Dusche.“
- „Ich weiß, dass es nicht genug ist, für seine Bücher und Theorien in Erinnerung zu bleiben. Man bewegt nur etwas, wenn man auch die Leben der Menschen bewegt.“
- „Es existiert keine demokratischere Institution als der Markt.“
- „Nichts ist so verräterisch wie das Offensichtliche.“
- „Der Aktienmarkt ist ein schlechter Ersatz für den Heiligen Gral.“
- „Das Erste, was ein Mann für seine Ideale tut, ist lügen.“
- „Ich habe mir drei Ziele in meinem Leben gesetzt: der größte Ökonom der Welt zu sein, der erste Reiter in ganz Österreich und der beste Liebhaber Wiens. Zwei dieser Ziele habe ich erreicht. Leider erbte ich einen schlechten Sattel.“