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Ray Dalio – Was können wir von Zyklen vergangener Wirtschaftsimperien lernen? Und wann wird China die USA als Imperium ablösen?

Kommentare Marius Müllerhoff 2.011 Leser

Liebe Leser,

einmal mehr hat uns Ray Dalio mit seinem vor kurzem publizierten LinkedIn-Artikel einen tiefen Einblick in die Wirtschaftsgeschichte gegeben. Er skizziert den typischen Verlauf des Aufstieges und Niedergang eines Imperiums, der sich über einen Zeitrahmen von gut 100 Jahren erstreckt. Dalio holt uns im Jahr 1600 ab, indem er den langsamen Aufstieg des niederländischen Imperiums inkl. seiner Währung als weltweite Leitwährung erläutert, gefolgt von dessen Zerfall und dem Aufstieg des britischen Imperiums. Nach gut 100 Jahre britischen Imperiums folgte Anfang des 20. Jahrhunderts der Aufstieg der USA. Zuletzt zeigt Dalio den Aufstieg des chinesischen Reiches. Was sagt uns die Geschichte zur aktuellen Lage? Sind die Tage bzw. Jahre der USA als Supermacht gezählt?

Wie sieht die Lebensdauer (“Big Cycle“) eines Imperiums aus und wo stehen wir heute

Ray Dalio stellt die Lebensdauer eines Imperiums in der folgenden Graphik dar. Die Geschichte zeigt, dass der Aufstieg und Niedergang eines jeden Imperiums der vergangenen 500 Jahre annähernd entsprechend diesem Muster verliefen.


Quelle: https://www.linkedin.com/pulse/big-cycles-over-last-500-years-ray-dalio/

Kurz gesagt, nachdem sich eine neue Wirtschaftsmacht etabliert hat, gibt es typischerweise eine friedliche und prosperierende Zeit. Die Menschen gewöhnen sich daran. Sie setzen vermehrt auf den anhaltenden Wohlstand und leihen sich dafür zunehmend Geld. Dies führt schließlich zu einer Schuldenblase bei gleichzeitig zunehmender Wohlstandslücke. Schließlich platzt die Schuldenblase. Gelddrucken, Kreditschwierigkeiten sowie interne Konflikte sind die Folge. Es kann zu Revolution und Krieg kommen. Das führende Imperium ist im Vergleich zu rivalisierenden Mächten, die während der prosperierenden Zeit an Stärke gewonnen haben, weniger mächtig. Letztlich führen der Schuldenberg, die abnehmende Wirtschaftskraft, interne Konflikte und aufkeimende neue Wirtschaftsmächte dazu, dass sich neue Gewinner ergeben, um eine neue Weltordnung zu schaffen. Dieser Prozess der Lebensdauer eines Imperiums ist in der Geschichte immer wieder so verlaufen. Die Linien in der folgenden Graphik zeigen die relativen Kräfte der 5 mächtigsten Imperien in den letzten 500 Jahren (hier spielen Faktoren wie u.a. Bildung, Finanzwesen, Militär und Produktion eine Rolle). So haben beispielsweise die USA um ca. 1915 Großbritannien als globales Imperium abgelöst. Heute sind die USA relativ gesehen rückläufig, während die chinesische Macht schnell steigt.



Quelle: https://www.linkedin.com/pulse/big-cycles-over-last-500-years-ray-dalio/

Der Aufstieg und Niedergang des niederländischen Imperiums und des niederländischen Guldens

Die Holländer übernahmen um ca. 1625 das Zepter des Weltimperiums von den Spaniern im Westen und den Chinesen im Osten. Das (niederländische) Goldene Zeitalter war gekennzeichnet durch einen im Allgemeinen sehr gut ausgebildeten Niederländer, einen großartigen Schiffsbau (getrieben durch Kolonisierung, Militär, Wirtschaftsrouten) und vor allem durch den Kapitalismus (Aktienmärkte, Kreditvergabe). Amsterdam wurde das Finanzcenter der Welt. Außerdem stellt das niederländische Imperium die erste Leitwährung der Welt her. All das hatte zwei Folgen: 1) Das niederländische Imperium wurde immer teurer, schwieriger zu führen, weniger konkurrenzfähig, verschuldeter und hatte zunehmend mit internen Konflikten zu kämpfen. 2) Andere Nationen gewannen an Reichtum und (militärischer) Macht, insbesondere Großbritannien. Es kam zu einer vermehrten Anzahl an militärischen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Mächten in Europa, vor allem zwischen den Niederlanden und Großbritannien. Ab Mitte der 18. Jahrhunderts sollte der Beginn des britischen Imperiums nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Der Aufstieg und Niedergang des britischen Imperiums und des Britischen Pfundes

Das britische Imperium mit dem Britischen Pfund als Leitwährung begann um ca. 1800, nach der Französischen Revolutionen und etlichen Kriegen in Europa, aus denen Großbritannien mit seinen Alliierten als die Sieger hervorgingen. Es folgten Jahrzehnte von Wohlstand und (relativem) Frieden. Die Industrielle Revolution hatte bereits begonnen. Sie sorgte für bessere Lebensstandards, Machtausweitung und Reichtum. Analog zu den Niederlanden, profitierte Großbritannien vom eigenen hervorragenden Schiffsbau, dem kapitalistischem System (u.a. wurde die British East India Company zum weltweit größten Unternehmen) und London als neuem Finanzhub der Welt. Hinzu kam die weitergehende Kolonialisierung und die Anerkennung des Britischen Pfundes als Leitwährung der Welt. Gleichzeitig schliefen die anderen Wirtschaftsnationen natürlich nicht. Sie kopierten das Erfolgsmodell von Großbritannien. Hinzu kamen viele neue Entdeckungen und Entwicklungen u.a. Stahl, Elektrizität, die Glühbirne, das Automobil. Analog zum niederländischen Imperium wurde Großbritannien immer schwerfälliger, kostspieliger und weniger wettbewerbsfähig. Auch die große Vermögenslücke zwischen Arm und Reich und Konflikte in Europa sowie in den Kolonien führten zu einer weiteren Schwächung des Britischen Imperiums. Anfang 1900 war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ein neues Imperium das Zepter übernehmen würde.

Der Aufstieg des amerikanischen Imperiums und des US-Dollars

Der Erste Weltkrieg führte letztlich dazu, dass die USA die neue Weltmacht werden würden. Die Siegermächte schafften eine Weltordnung, von der die USA profitierte. Es folgten die Golden Zwanziger (Frieden, steigende Lebensstandards im Westen und Wohlstand). New York etablierte sich als rivalisierendes Finanzcenter zu London. Die USA entwickelte sich zu einem militärischem Powerhouse. Sie hatten keine Kolonien und mussten daher nicht unter den aufkeimenden Konflikten in der kolonisierten Welt, die hohe Geldsummen verschlangen, leiden. Die USA gingen auch als Sieger aus dem Zweiten Weltkrieg hervor, was ihre Machtstellung weiter verstärkte. So wurde z.B. der US-Dollar an den Goldpreis gekoppelt. Die folgenden Jahrzehnte waren durch Frieden und Wohlstand geprägt (abgesehen vom Kalten Krieg). Dies führte – analog zum niederländischen und britischen Imperium – zu einem Anstieg des Schuldenberges. Der Vietnamkrieg und die überbordende Schuldenlast führten zur Auflösung des Goldstandards. Gleichzeitig haben Frieden und Wohlstand auch in anderen Ländern zu besseren Lebensstandards und Reichtum geführt. Insbesondere China verfolgt seit den 1980er Jahren eine aggressive Expansionspolitik (Kapitalmärkte, Kreditvergabe, Innovation, Handel, Militärwesen etc.) und präsentiert sich verstärkt als neue rivalisierende Wirtschaftsmacht.

Was lässt sich abschließend aussagen?

Ray Dalio hat einmal mehr einen beeindruckenden Artikel über die Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Empirisch gesehen beläuft sich die Lebensdauer eines Imperiums auf gut 100 Jahre, bevor ein neues Imperium auftritt und das Ruder langsam übernimmt. Die USA stellen seit gut 100 Jahren ein wirtschaftliches Imperium dar. Wenn man der empirischen Analogie von Dalio folgt, müsste sich demnach bald ein neues Imperium herauskristallisieren. Natürlich gibt Dalio dafür kein konkretes Datum an. Es lässt sich jedoch erkennen, dass sich das amerikanische Imperium auf einem absteigenden Ast, während das chinesische Imperium sich auf einem steigenden Ast befindet. Es bleibt daher sehr spannend zu beobachten, wie sich die Lage im aktuellen Jahrzehnt entwickelt.