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WOCHENAUSBLICK: Aufbruchstimmung im Dax weiterhin gerechtfertigt?


FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach dem jüngsten Rekordhoch des Dax werden die mahnenden Stimmen am deutschen Aktienmarkt lauter. Nur fünf Wochen nach der umfassenden Zollankündigung von US-Präsident Donald Trump mit anschließenden Kurseinbrüchen hat der deutsche Leitindex vor dem Wochenende eine neue Bestmarke aufgestellt. "Die Börsenampeln stehen weiter auf grün", kommentierte Claudia Windt von der Landesbank Hessen-Thüringen. "Die Anleger greifen zu, vermutlich um nichts zu verpassen." Es sei aber fraglich, wie gerechtfertigt diese Aufbruchstimmung ist.

Zuletzt sorgte eine Einigung im Zollstreit zwischen den USA und Großbritannien für gute Laune. Die Anleger bauen darauf, dass Trump seinem Ruf als "Dealmaker" gerecht wird und weitere Konflikte mit anderen Ländern beigelegt werden. Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners verwies jedoch darauf, dass die Ausgangslage für den Deal zwischen den USA und Großbritannien anders und vor allem einfacher war. Die Gespräche der USA mit China und der Europäischen Union dürften dagegen deutlich komplexer werden, so Altmann.

Auch Analyst Sören Hettler von der DZ Bank warnte vor diesem Hintergrund vor zu viel Zuversicht oder gar Naivität. Zwar sei die akute Panik Anfang April nicht berechtigt gewesen, dasselbe gelte aber auch für übertriebenen Optimismus hinsichtlich Trumps künftiger Handelspolitik. Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege vom Handelshaus Robomarkets, resümierte: "Alles in allem ist die Stimmung an der Börse schon fast wieder zu gut." Stand jetzt sei es nur schwer vorstellbar, dass Trump ohne größere Störfeuer zu den nächsten Deals schreite.

Spannend wird daher das Wochenende mit ersten hochrangigen Gesprächen im Handelskonflikt zwischen den USA und China. Der Ausgang ist offen, zumal Trump am Freitag erklärte, dass Zölle auf chinesische Waren in Höhe von 80 Prozent richtig erschienen. Das wäre zwar weniger als aktuell, aber immer noch ein großes Handelshemmnis. Verantwortlich sei allerdings US-Finanzminister Bessent, so Trump weiter. Er wird für die USA auch die Gespräche mit dem chinesischen Vize-Ministerpräsidenten He Lifeng führen.

"Die Investoren sind so versteift darauf, dass es zu einer wohlwollenden Einigung im Handelsstreit mit den USA kommen wird und sich die deutsche Konjunktur fängt, dass alle anderen Risiken ausblendet werden", gab Marktbeobachter Andreas Lipkow zu bedenken. Der Dax widersetze sich allen Unkenrufen, was in Anbetracht der eher fragilen und risikobehafteten Themenwelt, die derzeit stark auf die Finanzmärkte einwirke, durchaus bemerkenswert sei.

Aus Sicht der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ist vor allem die absehbare Abschwächung der US-Wirtschaft in den Kursen nicht adäquat berücksichtigt. "Unterm Strich hat der neue Politikstil Washingtons viel Porzellan zerschlagen und die Weltwirtschaft in eine schlechtere Lage gebracht", schrieben die LBBW-Experten. Sie raten deshalb zu Zurückhaltung bei Aktien.

Am Dienstag geben US-Verbraucherpreisdaten für April weitere Hinweise auf den Zustand der Wirtschaft in den Vereinigten Staaten. Robert Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck, rechnet nicht mit einem spürbaren Rückgang der Inflation. Jüngst hätten sich außerdem die Inflationserwartungen der US-Verbraucher stark erhöht. "Die Bedenken sind also groß, dass das Leben noch spürbar teurer wird, was Stimmungsindikatoren wie das Verbrauchervertrauen bereits deutlich eintrübt und damit ein Risiko für das US-Wachstum bedeutet", mahnte Greil. Donald Trumps Zölle könnten die Inflation zusätzlich befeuern und eine von den Anlegern und Trump selbst erhoffte Zinssenkung der US-Notenbank Fed weiter nach hinten schieben.

In Deutschland liegt der Fokus auf den ZEW-Konjunkturerwartungen für Mai, die ebenfalls am Dienstag anstehen und unter anderem von der neuen Bundesregierung geprägt sein dürften. Der historische Fehlstart bei der Kanzlerwahl von Friedrich Merz (CDU) ähnele dem Laufen mit schmutzigen Schuhen über einen weißen Teppich, kommentierte Marktstratege Robert Halver von der Baader Bank. Dass die neue Regierung nicht mit Vorschusslorbeeren starte, habe aber Vorteile. "Wenn sie die geringen Erwartungen übertrifft, hilft sie Deutschland auch wirtschaftspsychologisch mit nachhaltigen Ausstrahleffekten auf deutsche Aktien", konstatierte Halver.

Bei besagten Aktien stehen im Verlauf der Woche abermals zahlreiche Dax-Konzerne mit Quartalszahlen im Rampenlicht - darunter Bayer , die Allianz , die Deutsche Telekom , die Merck KgaA und Siemens . Bisher hätten viele Unternehmen ihre starke Entwicklung fortsetzen und die Erwartungen übertreffen können, schrieb Weberbank-Analyst Sören Wiedau. Dennoch bleibe die Unsicherheit bei den Unternehmen hoch und die Ausblicke seien verhaltener.

Längerfristig aber gibt es laut Jochen Stanzl vom Handelshaus CMC Markets viel Potenzial für die Aktien im deutschen Leitindex: "Erstens befeuert die Aussicht auf expansive Fiskalprogramme - etwa höhere Infrastruktur-, Energie- und Verteidigungsausgaben - Umsätze und Gewinne der Dax-Konzerne. Zweitens senkt die schrittweise Normalisierung der Geldpolitik nach der Inflationswelle der vergangenen Jahre das Zinsniveau ab, was Aktien weiter stützt."/niw/la/mis

--- Von Nicklas Wolf, dpa-AFX ---